Lichterfest
ich Ihnen nichts, überhaupt nichts zu sagen!« Pilar war keinen Schritt zurückgetreten, furchtlos hielt sie noch immer die Tür mit beiden Händen fest, bereit, sie jederzeit erneut gegen mein Bein zu rammen.
Ich verbeugte mich, so gut das mit einem eingeklemmten Fuß ging, und stellte mich vor, worauf sich ihre Miene minimal veränderte. Von misstrauisch zu ungläubig.
»Privatdetektiv?«, wiederholte sie und musterte mich, als versuche sie krampfhaft, die Berufsbezeichnung mit meiner Erscheinung in Einklang zu bringen. »Und Sie sagen, jemand zahlt Ihnen Geld dafür, damit Sie Rosie finden?«
Ich nickte. Alter und Sorgen hatten Pilars Gesicht gezeichnet, aber noch immer war deutlich zu erkennen, dass sie vor nicht allzu langer Zeit eine wunderschöne Frau gewesen sein musste. Sie war mittelgroß und schlank, das dichte, dunkelbraune Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern. Das sommerlich geblümte Kleid mit einem breiten, orangefarbenen Gürtel betonte ihre Figur. Sie sprach perfekt Deutsch, nur der leichte Akzent verriet ihre Herkunft.
»Ich befürchte, dass an der Sache etwas faul ist, deswegen muss ich unbedingt mit Ihrer Schwester sprechen.«
»Sie wollen abkassieren.«
Ich guckte entrüstet. »Nein, nein, das ist das Letzte …«
»Sparen Sie sich die Mühe, von mir werden Sie nichts erfahren. Ich bitte Sie ein letztes Mal zu gehen.«
»Sonst was?«
»Sonst schreie ich, und dann sehen Sie selbst, was einem Mann wie Ihnen in einem Haus wie diesem widerfahren kann.«
Mit Schaudern erinnerte ich mich an den Fleischberg im Latexanzug, der den Einbrecher in die Flucht geschlagen hatte.
»Lassen Sie es gut sein und spielen Sie woanders Detektiv.«
Ich schüttelte entschlossen den Kopf, worauf Pilar zu einem Schrei ansetzte. Blitzschnell warf ich mich gegen die Tür, stürzte in die Diele und presste ihr meine Hand auf den Mund. Verängstigt wand sich Pilar unter meinem Griff und wimmerte gequält, bevor sie nach mir zu schlagen begann. Nur unter größter Anstrengung gelang es mir, einhändig ihre Arme auf den Rücken zu drehen, ohne dabei ihren Unterkiefer loszulassen. Heftig keuchend und mit panisch aufgerissenen Augen starrte mich Pilar an.
»Ich werde Ihnen nichts tun«, versuchte ich sie zu beruhigen, während ich ebenfalls nach Luft schnappte. »Aber ich brauche Informationen über Ihre Schwester. Ein stadtbekannter, sehr mächtiger Mann sucht nach ihr, und ich befürchte, sie steckt wirklich in Schwierigkeiten. Mit diesen Leute ist nicht zu spaßen.«
Sekundenlang war nur unser heftiges Atmen in der Stille zu hören. Dann gab mir Pilar mit einer Bewegung ihrer Lider zu verstehen, dass sie einlenkte. Vorsichtig ließ ich sie los. Sofort rückte sie von mir weg, ihre Brust hob und senkte sich wütend, während sie sich durchs Haar strich und das Kleid zurechtzog. »Hijo de puta!«
»Sie haben mir keine Wahl gelassen! Ihre Schwester schwebt vielleicht in Gefahr!«
Sie lachte spöttisch. »Und ausgerechnet Sie wollen sie retten?«
»Na ja …«
»Wir haben gelernt, uns selbst zu wehren. Und mittlerweile sind wir richtig gut darin. Wir brauchen keine Männer dazu.«
»Bei Rosie wurde eingebrochen.«
»Na und? In diesem Quartier wird dauernd eingebrochen. Ein Junkie auf Entzug, der dringend Geld für einen Schuss braucht, Jugendliche, die sich die Drinks in den Klubs nicht leisten können oder einfach gelangweilt sind, eifersüchtige Liebhaber …«
»Ich habe den starken Verdacht, dass der Einbruch im Zusammenhang mit Rosies Verschwinden steht.«
Pilars Miene blieb abweisend, doch mir war das Zucken ihrer Lider nicht entgangen.
»Rosie befindet sich vielleicht in großer Gefahr«, wiederholte ich deshalb eindringlich.
Pilar knetete unschlüssig ihre Unterlippe, dann sanken ihre Schultern hinunter und sie wandte sich ab, was ich als Zeichen deutete, ihr zu folgen.
Das Wohnzimmer war klein, aber stilvoll eingerichtet. Ein dunkler, beinahe schwarzer Holztisch mit glänzender Oberfläche stand am Fenster, sechs Stühle aus gedrechseltem Gusseisen mit weißen Sitzkissen umgaben ihn. Von der Decke hing ein Kronleuchter, der in dem schlichten Raum etwas zu pompös wirkte, unter den Fenstern stand ein dunkelbraunes Ledersofa mit einem Salontisch aus Rauchglas davor. Pilar ließ sich auf das Sofa fallen und zündete sich eine Zigarette an.
»Erbstücke aus meiner Familie«, bemerkte sie, während sie den Rauch ausstieß.
Ich setzte mich an den Tisch, da mir der Platz neben Pilar auf
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