Lichterfest
an mir zu seufzen. Ächzend schob ich den Wagen an. Sie musste ihre Sammlung hinduistischer Götterskulpturen mitgebracht haben. Wie es schien, vor allem diejenigen aus Bronze und Stein.
Mein Käfer war vollgepackt, selbst auf dem Beifahrersitz türmten sich Taschen, während davor ein mittelgroßer Koffer klemmte und mich empfindlich in meiner Bewegungsfreiheit einengte, vor allem wenn ich versuchte, die Gangschaltung zu betätigen. Im Fond hatten sich meine Mutter und Auntie Bahula zwischen weitere Gepäckstücke gequetscht. Noch ehe ich losfuhr, hörte ich von hinten das verdächtige Rascheln von Alufolie, ein dumpfes Schmatzen war zu vernehmen, und schon breitete sich ein intensiver Geruch aus. Ich brauchte nicht einmal in den Rückspiegel zu schauen, um zu wissen, dass Auntie Bahula soeben die Reste ihres Proviants ausgepackt hatte, während meine Mutter einen frisch aus ihrer Küche kommenden Willkommenssnack anbot.
Für Inder war Essen enorm wichtig, sie taten es unabhängig von Tages- und lokal gebräuchlichen Essenszeiten, und kein Inder begab sich jemals auf eine Reise – schon gar nicht ins Ausland, wo man eventuell der indischen Kochkunst nicht mächtig war –, ohne aufwendig zubereitete Wegzehrung im Gepäck, die meist problemlos für eine mehrwöchige Himalajaexpedition gereicht hätte.
Ich nahm mir einen der noch lauwarmen Zwiebel-Bhajis aus der nach vorn gestreckten Tupperbox, lehnte aber Auntie Bahulas fettglänzende Linsenpuffer dankend ab. Etwas, das sie nicht so einfach akzeptierte. Mit mädchenhaft verstellter Stimme bearbeitete sie mich, bis ich schließlich unter dem Druck beider Frauen zugriff, um Auntie Bahula nicht schon in den ersten zehn Minuten zu beleidigen. Mein Käfer würde wohl bis zu den übernächsten Stadtratswahlen riechen wie der Lieferwagen eines Dabbawallas. Mit den Handballen am Lenkrad steuerte ich aus dem Parkhaus.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich beeilen musste. Ich hatte immer noch eine Putzfrau zu finden.
Nachdem ich die beiden Frauen bei meiner Mutter zu Hause abgeladen und mich artig für die Süßigkeiten und Kinderspielsachen bedankt hatte, die mir meine Tante entweder im Glauben mitgebracht hatte, dass ich seit meinem letzten Besuch in Indien nicht mehr gewachsen sei, oder mit der Gewissheit, dass ich mit über dreißig längst selbst Vater sein musste, parkte ich den Käfer und begab mich in die Brauerstrasse. Ich hoffte, dass Rosies Schwester heute daheim war, vielleicht konnte sie endlich etwas Schwung in meine fruchtlose Suche bringen.
Maria, der mütterliche Schutzengel der Frauen, war gerade im Begriff, ihren Briefkasten zu leeren, als ich ankam. Mit ausgebreiteten Armen nahm sie mich in Empfang und drückte mich überschwänglich an ihre üppige Brust. So häufig wie heute war ich seit Anfang der Achtzigerjahre nicht mehr von älteren Damen geherzt worden. Ich hoffte inständig, dass sich dazu in naher Zukunft auch wieder einmal jüngere Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts durchringen würden.
»Nein, sie ist nicht wieder aufgetaucht«, beantwortete Maria besorgt meine Frage nach Rosie. »Und ihre Schwester, Pilar, benimmt sich sehr merkwürdig. Kein Wort ist aus ihr herauszubekommen. Vielleicht spricht sie ja mit dir.« Ihre Hände flatterten beleidigt vor meiner Nase herum.
»Es ist einen Versuch wert«, sagte ich und ging auf den Lift zu.
Auf mein Läuten wurde die Tür nur zögerlich geöffnet. Pilar de la Cruz, die sich im Gegensatz zu ihrer Schwester und wohl in Hinsicht auf den beschränkten Platz auf dem Klingelschild dafür entschieden hatte, etliche Komponenten ihres südamerikanischen Namens wegzulassen, äugte misstrauisch durch den Spalt. Mein Anblick schien sie nicht merklich zu entspannen, sie runzelte die Stirn und zischte abweisend: »Was wollen Sie?«
Ich erklärte ihr mein Anliegen, worauf sie störrisch den Kopf schüttelte. »Meiner Schwester geht es gut. Niemand vermisst sie. Und jetzt gehen Sie bitte.«
Bevor sie mir die Tür vor der Nase zuschlagen konnte, schaffte ich es, den Fuß in den Spalt zu zwängen. Ich unterdrückte einen Schmerzensschrei, als der Rahmen gegen meinen Knöchel knallte, doch die Tür blieb immerhin offen, und damit auch meine Chancen, mehr zu erfahren.
»Sie wird vermisst und jemand zahlt mir ziemlich viel Geld, damit ich sie ausfindig mache. Deswegen will ich wissen, was hier abläuft.«
» Señor, erstens habe ich keine Ahnung, wer Sie sind, und zweitens habe
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