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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Spannenderes reden. Kennen Sie Trivandrum? Thiruvananthapuram, wie es jetzt heißt. Ich meine, manchmal fragt man sich ja schon, womit sich indische Beamte den lieben langen Tag die Zeit vertreiben. Städte umzutaufen! Wer soll sich bloß …«
    »Claire, ich muss wissen, worüber Sie sich mit Rosie ausgetauscht haben.«
    »Aber wieso denn?« Sie sah mich erstaunt an.
    »Jemand bezahlt mir viel Geld, dass ich sie finde. Mittlerweile weiß ich nur nicht mehr, ob das gut für sie wäre. Sie könnte in Gefahr sein.«
    »Rosa wird gesucht?«
    »Sie ist verschwunden. Man hat probiert, bei ihr einzubrechen. Etwas ist da faul.«
    »Mein Gott, ich hatte ja keine Ahnung … Das ist ja schrecklich!« Ihre Finger glitten fahrig über die Unterlippe, während sie offensichtlich nachdachte, dann sah sie mich abschätzend an. »Und Sie sollen Rosa wiederfinden?«
    »Ich versuche es.«
    Claire nickte ernsthaft. Sie war die Erste, die mich in meiner Rolle als Detektiv glaubwürdig empfand. Ich war gerührt.
    »Nun, ich würde Ihnen gern von unseren Gesprächen erzählen. Nur erinnere ich mich an kaum etwas.« Sie hob entschuldigend die Hände. »Ich denke, meist hat sie von Venezuela erzählt, und ich von meinen Reisen. Harmloses Geschwätz, nichts Weltbewegendes.«
    »Hat sie jemals Walter Graf erwähnt?«
    Claire schüttelte unsicher den Kopf. »Wir haben nie über die Arbeit gesprochen. Ich meine, was gäbe es da schon zu erzählen? Die Kloschüssel war aber diesmal so richtig verdreckt?«
    Wider Willen musste ich grinsen. Trotz ihrer Macken gefiel mir Claire. »Und Blanchard?«
    »Den Namen habe ich noch nie gehört. Klingt nach Schokoladenfabrikant.«
    »Zeitungsverleger.«
    »Warum haben die eigentlich immer so französisch klingende Namen? Ist das eine Bedingung, wenn man in das Geschäft einsteigen will?«
    »Ich werde mich bei ihm erkundigen.« Mit Schrecken fiel mir ein, dass ich mich schon längst bei ihm hätte melden sollen. Eine Wurzelbehandlung wäre mir definitiv lieber gewesen.
     
    Ich saß in der hintersten Ecke der Olé-Olé-Bar, deren Wände mit Autoschildern aus aller Welt und Blechplaketten voller dümmlicher Sprüche tapeziert waren, während mir die ältliche Bedienung, die mit ihrer Strickjacke und der über die Nase gerutschten Brille eher hinter den Ausgabeschalter einer Bibliothek gepasst hätte, gemächlich ein Bier zapfte.
    Am Tresen, direkt vor ihr, hatte sich ein hagerer Mann mit spitzem Gesicht niedergelassen, er trug ein schlabberiges T-Shirt unter einer abgewetzten Jeansjacke, sein dunkles Haar war einst wohl lockig gewesen, jetzt aber klebte es an seinem Schädel, als wäre er durch den strömenden Regen gerannt. Ununterbrochen redete er auf die ältere Dame ein, die sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen ließ und mein volles Bierglas vor sich hinstellte, geduldig wartete, bis die Krone etwas zusammengefallen war, um dann sorgfältig, als dekoriere sie einen Eisbecher, dem Getränk mit etwas frischem Schaum den letzten Schliff zu geben. Vorsichtig wie einen kostbaren Gral trug sie dann das Glas im Schneckentempo zu mir herüber, was vor allem an den ausgelatschten Pantoffeln lag, in denen ihre Füße steckten. Endlich bei mir angekommen, platzierte sie mit einer Hand einen Pappuntersatz auf der Bar und stellte dann das Glas darauf ab.
    »So«, sagte sie und nickte zufrieden, als sei ihr Tagwerk hiermit vollendet. »Zum Wohl!«
    Dann schlurfte sie wieder zurück zu ihrem Zapfhahn und füllte in Zeitlupe ein weiteres Glas, das sie dem unermüdlich labernden Kunden reichte.
    Ich nahm einen Schluck und musterte die drei anderen Gäste – zwei dicke Männer mit über und über tätowierten Unterarmen, die in Lederwesten steckten und ihr schütteres Haar im Nacken zusammengebunden trugen – und fragte mich, weshalb mich Miranda ausgerechnet hierher bestellt hatte. Sie passte so wenig in dieses Lokal wie der üppige Busen der blonden Dame, die angeregt mit den beiden Hell’s Angels schäkerte, in ihr rotes Oberteil. Ich leerte mein Bier in einem Zug und bedeutete der Bedienung mit einem kurz angehobenen Zeigefinger, dass ich noch eins wollte. Fasziniert sah ich ihr zu, wie sie endlos langsam ein sauberes Glas von der Spüle holte und damit zum Zapfhahn wackelte. Die Vorstellung hatte eine meditative Wirkung auf mich, und gerne hätte ich ihr noch weiter zugeguckt, doch da wurde die Tür aufgerissen und Miranda betrat die Bar. Suchend sah sie sich um. Erst als ich ihren Namen rief, entdeckte sie

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