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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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ihm ausführlich berichten konnte, klingelte es erneut an der Tür. Ich sprang auf und öffnete schwungvoll. Zu meinem Erstaunen stand Antonia vor mir.
    »Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.«
    »Was ist passiert?«
    »Irgendetwas ist megastrange. Ich brauche deinen Rat.« Sie schien verlegen, ein Zustand, der sich noch verstärkte, als sie José in meinem Büro herumlungern sah.
    »Wer ist das?«, fragte sie, nervös auf einem Kaugummi herumkauend. Es schien, als würde sie am liebsten kehrtmachen.
    »Mein Geschäftspartner.«
    »Oh, ich wusste nicht …«
    »Das hätten wir ja jetzt geklärt.«
    »Aber ich würde lieber allein …«
    »Du kannst es dir aussuchen: Entweder du erzählst es mir, und er erfährt es zehn Minuten später, oder du redest gleich mit uns beiden.«
    Ihr Blick wanderte unsicher von mir zu José und wieder zurück, doch dann gab sie sich einen Ruck und setzte sich auf den Sessel für die Klientel. »Kein Wort zu meiner Mutter. Unter keinen Umständen.«
    »Gebongt.«
    »Hä?«
    Sie trug ein bis über die Knie reichendes olivgrünes Kleid, das ihr ausgezeichnet stand, dazu schwarze Converse -Turnschuhe. Ihr Haar war zu mädchenhaften Zöpfen geflochten. Sie wollte nichts trinken, aber »gern eine Zigarette, wenn das unter uns bleibt«.
    Ich gab ihr eine meiner Parisiennes, die sie beinahe andächtig anzündete. Sie rauchte den ersten Zug mit geschlossenen Augen, als wollte sie sich den Geschmack einprägen. Erst dann hob sie den Kopf.
    »Da war was«, begann sie. »Ich hatte ja keine Ahnung, voll krass, Mann, boah … und jetzt ist alles so abgefahren.«
    Innerlich mahnte ich mich zur Geduld. Selbst José, der bei seiner Arbeit zwar selten, aber doch öfter mit Jugendlichen zu tun hatte als ich, malmte mit den Zähnen.
    »Versuch’s mal mit ganzen Sätzen«, ermunterte ich Antonia.
    »Und fang vorne an. Am Beginn der Geschichte«, fügte José rasch hinzu. Er schien sich tatsächlich auszukennen.
    »Ey, wie seid ihr denn drauf?«
    »Antonia!«
    »Okay, da war diese Alte.«
    José stöhnte.
    »Sie war voll nett und so, weißt du. Sie bot mir Geld für einen … ehm … Job?«
    »Sie hat dir Arbeit angeboten?«
    »Na ja.«
    Einen Moment lang schwiegen wir alle. Im Treppenhaus erklangen Schritte und entfernten sich wieder.
    »Was wollte sie von dir?« Ich versuchte es auf die einfühlsame Art und dachte dabei andauernd an Richard Gere.
    »Von mir? Nein, Mann, das war nicht die Art von Job, ich mach so was nicht. Die war ganz anders drauf.«
    »Wie denn?«
    »Sie gab mir Geld, im Voraus. Und ich musste …« Sie kicherte.
    »Was?«
    »Äh …«
    »Antonia! Rück raus mit den Tatsachen, aber plötzlich!« Ich schickte Richard in die Wüste und holte Donald Rumsfeld hervor. Die von ihm gutgeheißenen Verhörtaktiken hatten immerhin stets Antworten generiert. Und zufälligerweise auch die gewünschten.
    »Küssen.« Sie kicherte weiter, und ich leerte mein Glas. Wir teilten offensichtlich nicht denselben Humor.
    »Du solltest sie küssen?«
    »Bist du blöd, Mann? Sicher nicht.« Jetzt schüttelte sie sich vor Lachen und sah mich an, als sei ich derjenige, der nicht ganz dicht war.
    Ich kam mir ähnlich befremdet vor, wie wenn ich eine dieser Comedysendungen schaute, in denen Komiker, die sich selbst wahnsinnig lustig fanden, mit plumpen, absolut witzfreien Pointen das Publikum zum Toben brachten. Ich fragte mich immer, ob ich etwas Grundlegendes nicht gerafft hatte, vor allem wenn dann der sogenannte Alleinunterhalter die Pointe in der Folge gefühlte zwölf Mal wiederholte und sie selbst dadurch nicht mal ein klitzekleines bisschen lustiger wurde. Glücklicherweise hatten die Komiker für Leute wie mich zusätzlich optische Hilfen eingeführt, und so hatte ich mittlerweile gelernt, dass ein Witz meist von Augenrollen und Grimassenschneiden begleitet wurde – mein Startsignal zum Lachen.
    »Nicht die Frau«, schnappte Antonia nach Luft und schien sich etwas zu beruhigen. »Aber den Typen.«
    »Okay, du solltest einen Typen küssen.«
    »Genau.« Zufrieden sah sie mich an, wie ein Mathematiklehrer, der mir endlich das Wesentliche der Wahrscheinlichkeitsrechnung verklickern konnte.
    José war etwas tiefer in seinen Sessel gesunken, ich konnte von meiner Position aus nicht erkennen, was er genau tat. Antonia hingegen wippte mit den Beinen und sah mich erwartungsvoll an. Ich verzichtete auf jegliches Überpiepen der nicht jugendfreien Begriffe, als ich innerlich meinen Job verfluchte.
    »Was

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