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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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mich. Ohne die Sonnenbrille abzunehmen, rauschte sie auf mich zu.
    »Ist heute Stevie-Wonder-Gedenktag?«
    Miranda schnaubte ungehalten. »Erstens lebt der noch, zweitens: Halt die Klappe!«
    »Was ist dir denn über die Silikonimplantate gekrochen?«
    Wortlos zog sie die Brille herunter.
    »Verdammt! Und jetzt erzähl mir bloß nicht, du seist die Treppe runtergefallen!«
    Rasch schob sie die Brille wieder an ihren Platz zurück und zündete sich eine Zigarette an. Dabei bemerkte ich besorgt, dass ihre Finger zitterten.
    »Was ist passiert, Schätzchen?«
    »Lass das ›Schätzchen‹, Curryfresser! Wegen dir muss ich jetzt so rumlaufen!«
    »Wegen mir?« Ich glaubte, mich verhört zu haben.
    Miranda nickte vorwurfsvoll. »Wegen dir.«
    Mein Gehirncomputer suchte auf Hochtouren den Fehler im System. Die Suche ergab null Treffer. Ich spürte Mirandas abwartenden Blick auf mir. »Was denn?«
    »Bist du wirklich so schwer von Begriff?« Miranda starrte mich weiterhin an.
    »Ich komm nicht drauf.«
    »Prosecco, verdammt noch mal«, zischte sie.
    Hastig winkte ich die Bedienung heran und orderte.
    »Eine Flasche, nicht ein mickriges Glas.«
    Ich lehnte mich etwas vor und rief die geringfügige Änderung in der Bestellung über den Tresen.
    »Man war nicht so erfreut, mich wiederzusehen. Es gibt Leute, die haben ein Erinnerungsvermögen wie ein Elefant. Und sehen auch entsprechend aus.« Verbissen zog sie an der Zigarette.
    Ich glotzte sie ratlos an.
    Mirandas Hände schossen in die Höhe, als finge sie einen imaginären Rugbyball. »Die fette Ringerin im Lacktrikot«, erläuterte sie ungeduldig.
    Endlich fiel der Groschen. »Oh! Und als du dich bei ihr nach Rosie erkundigen wolltest, hat sie …?«
    »Ich sag ja: Alles deine Schuld!« Miranda lachte trocken. »Die Alte kann ihre Haut ab jetzt in Streifen zu Markte tragen, ich lass mir ja auch nicht alles gefallen. Aber auf ihre Rechte war ich nicht gefasst.«
    »Immerhin kannst du so beim Lidschatten sparen, das Auge ist ja schon lila.«
    »Spar dir die Witze.« Sie drückte die Zigarette aus, stürzte das erste Glas Prosecco in einem Zug hinunter, kaum hatte es die Bedienung gefüllt, und riss ihr die Flasche dann unsanft aus der Hand, um sich auf der Stelle nachzuschenken. »Ich kann so unmöglich arbeiten.«
    »Das tut mir echt leid.« Jetzt fühlte ich mich wirklich schuldig, doch Miranda winkte müde ab.
    »Halb so wild. Ist vielleicht Schicksal. Ich muss mir eh Gedanken machen. Über mein Leben, die Zukunft. Wie das alles weitergehen soll.«
    »Immer noch hormongebeutelt?«
    Miranda hob den Kopf und kräuselte ihre Lippen. Im besten Fall amüsierte sie sich. Vielleicht war aber auch nur der Prosecco sauer.
    »Mein Lieber«, begann sie und stützte die Arme in die Seiten. »Das ist eine Frage, die du einer Transe besser nicht stellen solltest. Es sei denn, du willst, dass dir Fingernägel übers Gesicht fahren, bis du aussiehst wie ein Zebra.«
    »Wenn ich es mir genau überlege …«
    »Heute immerhin wärt ihr zu zweit.«
    Ich grinste schief. »Dann hat es wohl zeitlich nicht gereicht, etwas über die Putzfrau herauszufinden?«
    »Wenn du dir jetzt nettes Geplauder, weiß gedeckte Picknicktischchen und Gurkensandwiches vorstellst, dazu Earl Grey aus bemalten Porzellantässchen und Gin Tonic, dann muss ich dich leider enttäuschen. Ladylike geht anders. Die Dame hat leider überhaupt keinen Stil, hatte sie eigentlich nie, wie ich mich viel zu spät erinnert habe. Aber da waren ihre Pranken schon in meiner Frisur.«
     
    Langsam rollte ich das Glas zwischen meinen Händen und sah dem Amrut zu, wie er die beiden Eiswürfel umspülte. Irgendwie half mir das beim Nachdenken.
    Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ den indischen Whisky in mich hineinplätschern. Danach war ich so in Gedanken versunken, dass es andere Leute als Nickerchen bezeichnet hätten. Ich schreckte erst auf, als José klingelte und beinahe im selben Augenblick in meiner Wohnung stand. Ich musste ihm irgendwann beibringen, dass dies keine Zahnarztpraxis war.
    »Wo warst du?«, fragte er atemlos.
    »Erzähl ich dir später. Ich hab dich vor Grafs Haus nicht gefunden. Und dann hat Miranda angerufen.«
    »Da war keine Putzfrau. Nicht gestern. Das letzte Mal hat sie am Freitag gearbeitet.«
    »So viel habe ich auch erfahren.« Claire hatte sich also nicht getäuscht. Rosie war tatsächlich nicht aufgetaucht.
    José sah mich verwundert an, während er sich einen Whisky einschenkte. Doch ehe ich

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