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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Wortgefechts droht, Walter Grafs Karriere zu zerstören, da er im Besitz brisanten Materials sei. Hätte er Grafs Karriere wirklich beenden wollen, hätte er jedoch dafür sorgen müssen, dass die Bilder veröffentlicht wurden.
    Fernando flieht daraufhin mit der Straßenbahn ins Stadtzentrum, zu seinem Arbeitsplatz, dem Hotel Rothaus. Dort kopiert er die Fotos und beabsichtigt, die Originale zu verstecken. Doch er schafft es nicht mehr, denn Martin Schluep ist ihm gefolgt. Im vollen Tram hat er sich wahrscheinlich nicht getraut, Fernando das Bildmaterial zu entwenden. Fernando hätte sich sicher gewehrt und die Gefahr, dass jemand eingegriffen und Schluep eventuell sogar erkannt hätte, wäre zu groß gewesen.
    Fernando fährt mit dem Bus bis zum Limmatplatz, dort steigt er eilig um und gelangt mit dem Tram zum Escher-Wyss-Platz, wo er verprügelt wird.
    So weit, so gut. Doch wie kommt er dahin, ohne dass ihn Schluep schon vorher erwischt? Zum Zeitpunkt des Übergriffs trägt der Junge die Fotos nicht mehr bei sich, weder die Originale noch die Kopien. Was hat er mit ihnen gemacht?
    Ich schenkte mir einen weiteren Drink ein und ging noch einmal alle Möglichkeiten durch, wo er die Bilder deponiert haben könnte, bis die einzig plausible Lösung übrig blieb: die IQ-Bar! Der Junge war tatsächlich nicht auf den Kopf gefallen.
     
    Nachdem ich im Internet den eindeutigen Beweis dafür gefunden hatte, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag, rief ich aufgeregt José an. Obwohl ich es unanständig lange klingeln ließ, ging er nicht ran. Doch ich wollte nicht warten. Ich brannte darauf, meinem Journalistenfreund von dieser Entdeckung zu berichten, denn offenbar war meine Spürnase um einiges besser, als allgemein angenommen wurde.
    Ich schlüpfte eilig in die Jacke und bog kurz darauf in die Josefstrasse ein. Vor dem Hauseingang stand ein derart unauffälliger Wagen, dass ich nicht umhinkam, ihn zu bemerken. Opel Omega, dunkelblau, das konnte nur eines bedeuten: Die Polizei war wieder mal in Zivil unterwegs.
    Ich betrat das Haus, stieg die Treppe hinauf und klingelte bei José. Ungeduldig wartete ich, dass er öffnete, doch nichts rührte sich. Erst nachdem ich mit der Faust gegen die Tür gehämmert hatte, schob sich diese spaltbreit auf, doch statt José spähte eine ausnehmend hübsche, sportliche Frau mit kurzen blonden Haaren heraus und musterte mich neugierig. »Du willst sicher zu José?«
    Ich nickte sprachlos.
    »Ich wollte sowieso gerade gehen.«
    »O nein, Sie brauchen … du brauchst überhaupt nicht …«
    Sie lächelte immer noch, öffnete die Tür ganz und ging an mir vorbei. Dabei streifte mich ihre Umhängetasche und der Geruch ihres Parfüms stieg mir in die Nase. »… zu gehen.«
    »Er ist drin«, sagte sie augenzwinkernd und deutete mit einer leichten Kopfbewegung ins Innere der Mansarde.
    »Wer war das denn?«, fragte ich José, der gerade mit einem um die Hüfte geschlungenen Frotteetuch aus dem Badezimmer kam, als ich eintrat.
    »Fiona«, brummte er kurz angebunden, während er dem Einbauschrank frische Kleidung entnahm.
    Fragend sah ich ihn an, doch wie es schien, wollte mein bester Freund keinen weiteren Kommentar dazu abgeben.
    »Und?«
    »Nichts ›und‹. Was willst du überhaupt?« Er verschwand wieder im Bad.
    Irritiert sah ich ihm hinterher. Es war neu, dass wir Geheimnisse voreinander hatten, doch das war jetzt zweitrangig. Momentan war die Suche nach den Fotos dringender.
    »Erinnerst du dich an Dragantinos Film?« Ich lehnte mich an den Türrahmen und sah ihm zu, wie er sein Hemd zuknöpfte.
    »An welchen Film?«
    »Von dem Typen, der die ganzen Schlägereien filmt.«
    José kratzte sich am Kopf. Er schien nicht ganz bei der Sache zu sein. »Ich hatte ihn auf den Computer geladen, glaube ich«, nuschelte er.
    Ich starrte erstaunt auf den neuen 27-Zoll-Bildschirm, der Josés Schreibtisch dominierte. Dann fiel mir der Fernseher auf, der brandneu und beinahe flächendeckend an der Wand gegenüber des Betts hing. José, der meinem Blick gefolgt war, grinste amüsiert. »Mit dem Computer sind auch noch andere wertvolle Dinge unauffindbar verschwunden.«
    »Dinge, die du gar nie besessen hast.«
    »Sagst du!«
    »Nicht die Spur eines schlechten Gewissens?«
    »Hättest du?«
    Ich ersparte mir eine Antwort. Stattdessen setzte ich mich an den Schreibtisch und startete den Browser.
    »Was soll das?«, fragte José gereizt. »Erst trampelst du hier rein wie …«
    »Ich muss dir was

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