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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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funkelte mich verärgert an und kam mir entgegen. Er hatte unglaublich dichtes, kurz geschnittenes schwarzes Haar und das breite Gesicht eines Boxers. »Mann, was willst du?«
    »Bei so viel Gastfreundschaft wird mir ja richtig warm ums Herz.«
    »Bist du da zu labern oder zu was?«
    »Zu Hassan will ich.«
    »Zu mir?« Er tippte sich zweifelnd an die breite, durchtrainierte Brust.
    »Nein, zu …«
    »Zu meinem Vater?« Er holte ein langes Messer hervor und prüfte die Schärfe der Klinge mit dem Daumen. »Der ist schon alt und erwartet um die Zeit kaum Besuch von jemandem wie dir. Zu meinem Schwager? Meinem Neffen? Meinem Cousin? Welcher Hassan, Mann?« Er begann, vom Kebabspieß die äußerste Schicht des Fleisches in dünnen Streifen abzusäbeln.
    »Hier heißen alle Hassan.« Der rundliche Kerl am Tisch, der seine Glatze mit einem wuchernden Bart kompensierte, kicherte vergnügt und führte mit spitzen Fingern das Teeglas an die fettig glänzenden Lippen. »Und wenn nicht Hassan, dann Mehmet.«
    »Richtig, Bruder.« Hassan kratzte sich die Stoppeln am Kinn.
    »Der Hassan, den ich suche, ist etwa zwanzig. Hat lange Haare und ein Bärtchen …«
    Hassan fuhr herum. »Was willst du von ihm?«
    »Ist mit ihm alles okay?« Es war mir, als lege sich eine Hand um meinen Hals.
    Hassans Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wie kommst du darauf?« Langsam kam er mit dem Messer in der Hand auf mich zu.
    Ich entschied mich für die Kurzversion. Das schien zu nützen, immerhin blieb er stehen und hörte mir aufmerksam zu. Als ich fertig war, stellte Hassan mir zwei, drei Fragen und kratzte sich wieder am Kinn. Unvermittelt wandte er dann den Kopf, wechselte einen Blick mit dem Dicken am Tisch, trat zur Seite und deutete mit der Messerspitze hinaus.
    »Was soll das jetzt?«
    »Welchen Teil von ›Hau ab‹ verstehst du nicht?«
    »Aber ich muss …«
    Hassan schüttelte den Kopf.
    »Was ist denn passiert?«
    Mit zusammengepressten Lippen wischte Hassan die Klinge des Messers an seiner Schürze sauber.
    »Ich kann Hassan helfen!«
    »Vielen Dank, aber wir brauchen deine Scheißhilfe nicht!«
    »Wir lösen das auf unsere Art«, füllte der Dicke am Tisch die Lücken.
    »Was löst ihr?«
    »Das Problem, Mann, was denn sonst.« Hassan guckte grimmig.
    »Welches Problem?«
    Rasch tauschten Hassan und der Dicke einen weiteren Blick aus, schwiegen aber eisern.
    »Ihr wisst doch gar nicht, wie der Typ aussieht!«
    Hassan zuckte mit den Schultern. »Du hast gesagt: schlank, normale Größe, Mantel, Hut, Schal. Hassan hat ihn genauso beschrieben. Und er kann nicht weit sein.«
    Mir wurde plötzlich kalt. Schluep war also vor mir hier gewesen. »Was hat er Hassan angetan?«
    »Genug, dass wir ein ernstes Wort mit ihm reden müssen.«
    »Aber zuerst wird in aller Ruhe gegessen?« Verständnislos sah ich die beiden Männer an.
    »Alles zu seiner Zeit«, ächzte der Dicke, während er sich umständlich erhob.
    »Wo ist Hassan?«
    Schweigen. Von irgendwo weiter hinten vernahm ich ein leises Geräusch. Eine Frauenstimme vielleicht.
    »Verdammt!« Ehe Hassan reagieren konnte, war ich an ihm vorbeigestürmt und hatte die schmale, orange gestrichene Tür im hinteren Teil des Lokals aufgestoßen. Ich registrierte eine winzige Küche, bescheiden mit zwei Kochplatten und einem aluminiumfarbenen, doppeltürigen Kühlschrank bestückt, bevor ich mich gegen die Tür warf und den Schlüssel drehte, der glücklicherweise auf meiner Seite steckte. Dann sah ich mich hastig um. Es gab zwei weitere Ausgänge. Ich kam mir vor wie in einem Playstation-Spiel, wo hinter jeder Tür ein Geheimnis stecken konnte. Oder das Verderben. Die eine führte links weg, hinter der andern konnte ich durch das Milchglas die Umrisse eines Abfallcontainers im Schein einer Hinterhoflampe erkennen. Die Entscheidung fiel nicht leicht. Doch ich ignorierte die rot blinkenden Warnschilder meines Instinkts, riss beherzt die linke Tür auf und gelangte in eine weite, spärlich erleuchtete Lagerhalle. An den Wänden entlang stapelten sich Kartons mit Gemüse und Früchten, Säcke mit Zwiebeln lagen in einer Ecke aufgeschichtet, daneben riesige Kühltruhen. Ich sah die drei Frauen erst, als ich bereits einige Schritte in den Raum hinein gemacht hatte. Wie angewurzelt blieb ich stehen, während nebenan eine Tür zersplitterte und wüste Flüche zu hören waren. Die Frauen sahen mich abwartend an, in ihren Augen lag keine Angst. Und etwas anderes sah ich nicht, denn sie trugen

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