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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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eine von ihnen plötzlich auf und blaffte ein paar Worte auf Türkisch in die Runde, worauf zwei jüngere, kräftig aussehende Männer sich aus der Menge lösten.
    »Was ist mit dem Typen, der meinen Bruder so zugerichtet hat?«, fragte Hassan der Ältere und kam bedrohlich näher, während die Burschen den jungen Hassan hochhoben und davontrugen.
    »Komm mit, ich bring dich zu ihm«, sagte ich hastig und lief zur Tür.
     
    Hassan ging auf einen schwarzen Mercedes zu, eine Karre so breit und protzig, als würde normalerweise der amerikanische Präsident damit herumchauffiert. Oder Schweizer DJs mit Größenwahn. Die Fenster waren verdunkelt und sahen nach schusssicherem Panzerglas aus.
    »Können wir meinen nehmen?«, bat ich und deutete auf den hellblauen Käfer.
    Angeekelt musterte Hassan den Wagen, wechselte einen Blick mit dem Dicken und verzog das Gesicht. »Wenn mich jemand sieht …«
    »Es ist dunkel und kaum noch jemand unterwegs.«
    Hassan wirkte wenig überzeugt.
    »Sonst bleibt er bis morgen vor deinem Laden stehen. Oder bis ich ihn abhole. Man wird sicher denken, es sei deiner.«
    Rasch schritt er auf mich zu und riss mir die Schlüssel aus der Hand. »Aber ich fahre.«
    Ich zuckte mit den Schultern und öffnete dem Dicken die Tür auf der Beifahrerseite, damit er sich auf den Rücksitz quetschen konnte. Unser ohnehin schon angespanntes Verhältnis wollte ich lieber nicht auf die Probe stellen, darum setzte ich mich nach vorn.
    »Wie hat er den kleinen Hassan erwischt?«, fragte ich, während ich mir das restliche Blut vom Gesicht wischte. Meine Nase war glücklicherweise nicht gebrochen, doch sie schmerzte fürchterlich, als ich sie berührte.
    »Als er von der Schule kam. Es ging verdammt schnell, Mann. Er hat ihm vor dem Laden aufgelauert und in diese Seitengasse gezerrt.« Hassan der Ältere deutete zu dem schmalen Durchgang neben dem türkischen Supermarkt, der die Josef- und die Zollstrasse verband, während er den Käfer startete. »Als wir seine Hilferufe hörten, war der Typ schon verschwunden. Wenn ich dieses Schwein erwische …« Er machte eine eindeutige Handbewegung.
    Um keinen Preis hätte ich jetzt in Schlueps Haut stecken wollen.
    »Wohin?«
    »Helvetiaplatz.«
    Der Wagen machte einen übermütigen Satz nach vorn und bog mit kreischenden Reifen in die Josefstrasse ein. Vom Schub tief in den Sitz gedrückt war ich froh, dass ich vorausschauend genug gewesen war, mich anzuschnallen. Wir jagten auf die Langstrasse zu, wo sich zeigte, dass Hassan wenig von den landesüblichen Verkehrsregeln hielt und sie eher als Empfehlung denn als Gesetz zu betrachten schien. Während er sich seelenruhig eine Zigarette ansteckte, rasten wir durch die Bahnunterführung und auf der anderen Seite wieder hinauf, wo sich ein Fahrradfahrer nur mit einem halsbrecherischen Manöver auf den Gehsteig retten konnte. Sein empörtes Gezeter verebbte rasch hinter uns. Als ich in den Rückspiegel blickte, erkannte ich jedoch einen ausgestreckten Mittelfinger.
    Hassan hatte vor der Ampel angehalten, wenigstens das, doch als sie jetzt auf Grün sprang, drückte er das Gaspedal durch, schoss über die Kreuzung und dann auf der Langstrasse Richtung Helvetiaplatz. Was an und für sich sehr erfreulich war, war es doch die kürzeste Verbindung. Nur wurde die Straße auf dieser etwa dreihundert Meter langen Teilstrecke zur Einbahn, mit einer zweiten Spur, auf der nur der Bus der städtischen Verkehrsbetriebe in beiden Richtungen verkehrte. Und Velofahrer, denen die gängigen Straßenbeschilderungen wenig sagten.
    Kreischend sprang eine Schar Brasilianerinnen zur Seite, als der Käfer in falscher Fahrtrichtung heranbrauste. Zwei Fahrradfahrer konnten sich gerade noch auf die Gegenfahrbahn retten, wo sich der Verkehr staute. Und eine Transe strauchelte auf ihren Pfennigabsätzen, als sie sich auf dem Trottoir in Sicherheit bringen wollte. Ich klammerte mich am Sitz fest und stellte die Atmung ein.
    Das Quartier wirkte jetzt belebter als noch zwei Stunden zuvor. Leider, musste ich angesichts der momentanen Situation sagen. Ich sah die Leuchtschilder der Bars und Klubs vorbeiflitzen, Streifen bunten Lichts, während wir in höllischem Tempo über die Busspur sausten. Wir hatten beinahe die Hälfte der Strecke hinter uns, als ich mit Entsetzen den blau-weißen Bus entdeckte. Er wartete an der Ampel am anderen Ende des Straßenabschnitts und stand uns demzufolge gegenüber.
    Das war nicht gut, das war gar nicht gut!
    Ich öffnete

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