Lichterfest
war unbrauchbar, die Bilder verzerrt, die Kameraführung derart abrupt, dass einem schwindlig wurde. Als befände man sich in einem Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier.
Nachdem Miranda und ich die Polizisten zum bewusstlosen Muskelmann geführt hatten, hatten wir unsere Aussagen zu Protokoll gegeben und den Ablauf der Ereignisse so gut wie möglich rekonstruiert, während José sein Bein von den Sanitätern, die sich auch um die beiden angeschlagenen Schläger kümmerten, untersuchen ließ. Glücklicherweise war er nicht gravierend verletzt. Trotzdem hinkte er und verzog immer wieder schmerzgeplagt das Gesicht, als wir ihn in seine Dachmansarde an der Josefstrasse im Kreis 5 begleiteten, wo wir uns von der ganzen Aufregung erholen wollten.
»Hier, das ist schon viel besser!« Aufgeregt deutete José auf den Bildschirm. Dort war gestochen scharf zu sehen, wie Miranda schwungvoll ihren Kampftanz aufführte, bevor sie den untersetzten Typen gegen den Wagen schleuderte. Nur Sekunden später hörte man Josés Rufe, obwohl er nicht im Bild war, worauf Miranda ihre Handtasche schnappte und gemeinsam mit mir Reißaus nahm.
»Welch heldenhafter Abgang«, bemerkte Miranda spöttisch.
Ich richtete mich wie elektrisiert auf und deutete auf den Bildschirm. »Was war das?«
José sah mich fragend an.
»Geh noch mal zurück. Da war doch was.«
Kommentarlos wählte er eine Stelle ein paar Sekunden früher und ließ den Film nochmals laufen.
»Da! Seht ihr?«
»Was denn?« Miranda beugte sich mit gerunzelter Stirn über meine Schulter.
José sog scharf die Luft ein. »Der raubt ihn aus! Ich kann’s echt nicht fassen! Da liegt einer verletzt am Boden und wird zusätzlich auch noch bestohlen.«
»Nein, nein, guckt genauer hin.«
Zu dritt lehnten wir uns vor und starrten auf den Bildschirm.
»Er durchsucht ihn!« Ich erinnerte mich an den Schatten, der sich über den jungen Türken gebeugt hatte. Schemenhaft war zu erkennen, dass es ein Mann war, mit hochgeschlagenem Mantelkragen, bis zur Nase heraufgezogenem Schal und einem breitkrempigen Hut. Der Kerl beugte sich vermeintlich fürsorglich über den Verletzten, tatsächlich durchsuchte er hastig die Jacke des Jungen und tastete seine Hosen ab, bevor er sich aufrichtete und in die Dunkelheit entschwand.
»Ist das alles?«
»Man sieht sein Gesicht nicht!«
»So ein Schwein!«
»Und er trägt einen Frauenschal, dabei steht ihm lila überhaupt nicht«, warf Miranda ein. »Und passt weder zu Hut noch Mantel.«
»Unsere Expertin für Stilfragen«, grinste José und wandte sich wieder dem Computer zu, um den Film noch einmal zu starten. »Da!« Er tippte auf eine Gestalt, die ab und zu ins Bild geriet. Sie stand ganz in der Nähe des am Boden liegenden Türken und nahm, das Handy einen halben Meter vor dem Gesicht, alles auf, während sie eine 180-Grad-Drehung vollführte. José stoppte den Clip und vergrößerte das Standbild. »Dieser Typ filmt in dem Moment alles, was um ihn herum geschieht. Vielleicht ist auf seiner Aufnahme mehr zu erkennen.«
»Das Gesicht des Mannes eventuell?« Bedauernd betrachtete Miranda einen abgebrochenen Fingernagel.
»Kaum, Schal und Hut verdecken das Gesicht perfekt. Da steckt zweifelsohne Absicht dahinter. Aber vielleicht sieht man, ob der Typ allein war oder zu einer andern Gang gehörte.«
»Wäre eine gute Story für dich.«
»Ist es sowieso. Aber darum geht es nicht.«
»Sondern?«
»Ich hab das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.«
Ich sah José erstaunt an, dann nickte ich nachdenklich. »Da ist was dran. Der Angriff auf den Jungen kam zu zielgerichtet. Als hätten die Typen gewusst, dass er im Lokal saß.«
»Vielleicht haben sie ihn schon zuvor verfolgt. Wenn ich mich richtig erinnere, war er außer Atem, als er in die IQ Bar hereinstürzte.«
»Meinst du, die haben draußen auf ihn gewartet?«, schaltete sich Miranda ein.
»Könnte sein. Er schien ziemlich nervös und war komplett verschwitzt«, gab ich meine Beobachtungen wieder. »Wohin haben sie ihn eigentlich gebracht?«
»Ins Unispital, schätze ich. Ich versuche es rauszubekommen. Die eine Ambulanz ist sofort mit ihm losgefahren. Die Pfleger der zweiten haben sich um die Schläger gekümmert. Und um mein Bein.«
»Und wie finden wir den da?« Miranda deutete auf den Bildschirm, auf dem das undeutliche Bild eines blonden, etwas übergewichtigen Teenagers zu sehen war, der einen blau-rot gestreiften Pullover trug.
Nachdenklich kratzte sich José am
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