Lichterfest
Kinn, dann schaltete er den Drucker ein. »Mal sehen. Vielleicht erkennt ihn jemand.«
Konsterniert starrten Miranda und ich ihn an.
»Das ist jetzt aber nicht dein Ernst?«, stöhnte ich. »Ich bin wie gerädert! Dieser Typ wollte wohl Chapatis aus mir machen, so wie der mich durchgeknetet und flach gewalzt hat!«
»Und ich fühle mich wie nach jenem Abend, als dieser Kegelklub aus Adliswil mich einen Abend lang …«
»Spar uns die Details, Miranda!«, fiel ich ihr ins Wort.
»Ihr könnt ja hierbleiben, wenn ihr nicht mitwollt.« José zuckte mit den Schultern, während er das Bild des Jungen auf dem Ausdruck studierte.
Seufzend blickte Miranda mich an, dann ging sie wortlos aus dem Zimmer. »Ich brauche ein Paar Schuhe«, rief sie von der Diele her. »Größe dreiundvierzig.«
Anderthalb Stunden später saßen wir wieder in der IQ Bar, erschöpft und enttäuscht. Miranda hing apathisch am Tresen und schob ein halb volles Proseccoglas von der einen Hand in die andere, während José, die Ellbogen aufgestützt, wütend die geballten Fäuste gegen die Schläfen drückte und dabei ins Leere starrte.
Jeder von uns war mit dem ausgedruckten Konterfei des Burschen herumgelaufen und hatte es den Passanten gezeigt, doch keiner wollte ihn darauf erkennen. Außerdem war es spät geworden. Die Kids waren in den Klubs, und die Leute, die noch unterwegs waren, kamen von einer Nocturne oder vom Essen und hatten die Schlägerei gar nicht mitbekommen.
»Ich werde ihn finden«, knurrte José.
»Wir sollten den jungen Türken ausfindig machen. Sicher kann er uns sagen, warum die Typen ihm aufgelauert haben. Und weshalb ihn dieser halb vermummte Typ durchsucht hat.«
Fragend sah mich José an. »Wir? Uns?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Meine Auftragslage ist grad alles andere als rosig. Muss die gebeutelte Wirtschaftslage sein.«
Mein Detektivbüro, das sich an der Dienerstrasse in Zürichs Kreis 4 befand, war gerade mal ein paar Wochen alt. Einen einzigen wirklich spektakulären Fall hatte ich bislang gelöst, der einen Bankdirektor ums Renommee und hinter Gitter gebracht und zwei bisswütige Kampfhunde das Leben gekostethatte. Seither hatte sich nicht mehr viel getan außer ein paar langweiligen Observationen und Recherchen.
Ich konnte also José von Verpflichtungen unbehelligt unterstützen.
»Hm, ein derart professionelles Angebot kriegt man nicht jeden Tag.« José grinste spöttisch.
Mirandas schrilles Lachen unterbrach uns. »Haha! Ein Detektiv mit fatalem Hang zu indischem Whisky und ein bekiffter, spanischer Journalist, der den Arsch nicht hochkriegt, wollen dem armen Türkenjungen helfen. Wenn ich er wäre, würde ich mich auf der Stelle auf alle viere werfen und beginnen, nach Mekka zu beten!«
Grimmig starrten wir Miranda an, während sie unbeeindruckt die Bedienung heranwinkte.
Sonntag
Dumpf pulsierte etwas durchscheinend Rötliches, Plastisches hinter meinen Lidern. Der Puls ging viel zu schnell und mein Mund fühlte sich an, als hätte ich an einem Fuchspelz gelutscht. Ich blinzelte und zuckte zusammen. Grelles Licht versengte meine Hornhaut, das Zimmer drehte sich. Hastig schloss ich die Augen wieder, tastete benommen nach meiner Nachttischlampe und kippte den Schalter. Schlagartig wurde es dunkel. Sonntägliche Stille im Quartier. Angenehm.
Ich erwachte, Stunden später wahrscheinlich, weil mein Schädel gerade von einer Kreissäge gespalten wurde. Von draußen drang kaum noch Licht durch die Lamellen der Jalousie. Ich vernahm eine männliche Stimme, die etwas Unverständliches rief. Musik war zu hören. It’s a cruel, cruel world , treffender als Beth Ditto hätte es auch ich nicht ausdrücken können. Dann schrillte es erneut an der Tür, und das Sägeblatt bohrte sich tiefer in mein aufgeweichtes Gehirn. Ich versuchte aufzustehen, doch mein hochschwappender Mageninhalt hinderte mich daran. Stöhnend fixierte ich einen Punkt an der fleckenübersäten Decke. Erinnerungsfetzen blitzten auf, wirr und beunruhigend. Die Nacht war lang geworden, trotz oder gerade wegen der aufreibenden Ereignisse, und die Drinks unübersichtlich zahlreich. Das Letzte, woran ich mich erinnerte, war irgendein Klub voller Menschen und lauter Musik und Mirandas verzerrtes Gesicht, wie sie mir einen kleinen Plastikbeutel hinhielt und etwas von ihrem Zaubersäckchen flüsterte, von dem ich doch kosten solle. Natürlich steckte ich den angefeuchteten Finger ohne lange zu überlegen hinein und leckte das bitter
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