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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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vertieft. In Milton Gardens stieg Marcus aus, ging die Treppe hinauf und fummelte nach seinem Schlüssel, doch bevor er ihn ausfindig gemacht hatte, wurde die Tür von Helen geöffnet, und Marcus mit seinem ausgebeulten Mantel und dem Komödiantenhut hob sich als Silhouette gegen das Licht der Diele ab.
    Helen sagte: „Wie schön!“ Weil er so viel kleiner war als sie, bückte sie sich, um ihn zu umarmen, und Robert, der Marcus' Rei setasche aus dem Kofferraum des Alvis nahm, fragte sich, warum sie nie lächerlich wirkten.
     
    Es mußte schon seit längerer Zeit dunkel sein. Aber als der London Express in den Bahnhof einfuhr, wo sie nach Porthkerris umsteigen mußte, und Emma aus dem Zug stieg, stellte sie fest, daß es eigent lich gar nicht richtig dunkel war. Der Himmel war von Sternen er hellt, die Nacht durchweht von einem lebhaften Wind, der nach See roch. Als sie ihr gesamtes Gepäck ausgeladen hatte, blieb sie auf dem Bahnsteig stehen und wartete, bis der Expreßzug abfuhr. Über ihr raschelten die zerfledderten Blätter einer Palme grotesk im rastlosen Wind.
    Der Zug fuhr weiter, und sie sah den einzigen Gepäckträger auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig gemächlich mit einem Hand karren voll Päckchen beschäftigt. Als er sie endlich bemerkte, ließ er die Handgriffe seines Karrens los und rief über die Schienen: „Brau chen Sie Hilfe?“
    „Ja, bitte.“
    Er sprang auf die Gleise hinunter und kam zu ihr herüber. Irgend wie schaffte er es, sich ihre gesamte Habe auf seine beiden Arme zu laden. Emma folgte ihm über die Schienen, und er half ihr auf den anderen Bahnsteig hinauf. „Wo wollen Sie hin?“
    „Nach Porthkerris.“
    „Mit dem Zug?“
    „Ja.“
    Der kleinere Zug wartete auf dem einen Streckengleis, das um die Küste herum nach Porthkerris führte. Emma war offenbar der einzige Fahrgast. Sie bedankte sich bei dem Träger, gab ihm ein Trink geld und ließ sich auf einen Sitz fallen. Die Erschöpfung verzehrte sie. Nie war ihr ein Tag so lang vorgekommen. Nach kurzer Zeit stieg eine Bauersfrau zu ihr, mit einem braunen Topfhut. Vielleicht war sie einkaufen gewesen, denn sie trug eine ausgebeulte karierte Ledertasche bei sich. Minuten vergingen; das einzige Geräusch war der Wind, der an den geschlossenen Zugfenstern rüttelte. Schließlich stieß die Lokomotive einen schrillen Pfiff aus, und sie setzten sich in Bewegung.
    Es war unmöglich, nicht aufgeregt zu sein, als vertraute Wahrzei chen in der Landschaft auftauchten, erkannt wurden und vorüber flogen. Vor Porthkerris hielt der Zug nur an zwei kleinen Stationen, und dann kam endlich das tiefe Tal, das im Frühling mit Schlüssel blumen übersät war, dann der Tunnel, und dann lag die See unter ihnen. Es war Ebbe, der nasse Sand glänzte wie Satin. Porthkerris war ein Nest aus Lichtern, die Hafenkurve sah aus wie mit einer Kette behängt, und die Ankerlichter der Fischerboote spiegelten sich in einem Labyrinth aus schillerndem schwarzgoldenem Wasser.
    Sie fuhren jetzt langsamer. Der Bahnsteig kam in Sicht. Der Name PORTHKERRIS zog vorbei und blieb zurück. Schließlich hielten sie an einer blanken Blechreklame für Schuhcreme, die dort gewesen war, seit Emma zurückdenken konnte. Ihre Reisegefährtin, die während der ganzen Fahrt kein Wort gesprochen hatte, stand auf, öffnete die Tür, stieg gemächlich aus und verschwand in der Nacht. Emma stand in der offenen Tür und hielt nach einem Gepäckträger Ausschau, aber der einzige sichtbare Beamte stand am andere Ende des Zuges und rief überflüssigerweise „Porthkerris! Porthkerris!“ Sie sah ihn mit dem Lokomotivführer plaudern; er schob seine Mütze aus der Stirn und stand da, die Arme in die Seiten gestemmt.
    Neben der Schuhcremereklame stand ein leerer Karren. Sie lud ihr Gepäck darauf, ließ ihn stehen und nahm nur eine kleine Reise tasche mit. So ging sie den Bahnsteig entlang. Im Büro des Stations vorstehers brannte Licht, es warf warme gelbe Flecken nach draußen, und auf einer Bank saß ein Mann und las Zeitung. Emma ging an ihm vorbei, ihre Schritte hallten auf den Steinplatten. Als sie vor überging, ließ der Mann die Zeitung sinken und sprach ihren Na men.
    Emma blieb stehen und drehte sich langsam um. Er faltete die Zeitung zusammen und stand auf, und das Licht schien seine weißen Haare in einen Heiligenschein zu verwandeln.
    „Ich dachte, du würdest nie ankommen.“
    „Hallo Ben“, sagte Emma.
    „Hatte der Zug Verspätung, oder hab ich mich mit der Zeit ver

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