Lichterspiele
viel wie Roheisen. Wann bist du aus Paris abgeflo gen, Emma?“
„Heute morgen.“ Es schien ein Leben lang her zu sein.
„Und wieso wußten sie bei Bernstein von dir?“
„Ich mußte hin, um an etwas Geld zu kommen. Englisches Geld. Sie haben mir zwanzig Pfund von deinem Konto gegeben. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.“
„Ist mir völlig schnuppe.“
Sie kamen an seinem Atelier vorbei, die Läden waren herabgelas sen und dunkel. „Hast du schon wieder zu malen angefangen?“ fragte Emma.
„Natürlich. Deswegen bin ich zurückgekommen.“
„Und die Arbeiten, die du in Japan gemacht hast?“
„Die hab ich in Amerika gelassen, für die Ausstellung.“
Jetzt war die Luft vom Rauschen der Brandung erfüllt, von den Brechern, die an den Strand rollten. Der große Strand. Ihr Strand. Und dann kam das schiefe Dach ihres Hauses in Sicht, beleuchtet von der Straßenlaterne, die neben der blauen Gartenpforte stand. Als sie näher kamen, suchte Ben in seiner Jacke nach dem Schlüssel. Er ging Emma voran durch die Pforte und die Treppe hinunter, schloß die Tür auf, trat ein und machte Licht, so daß im Nu alle Fenster strahlten.
Emma folgte langsamer. Sie sah mit einem Blick das helle Flackern des Kaminfeuers und die nahezu unmenschliche Sauberkeit und Ordnung, die Daniels Frau aus dem Urzustand völliger Verwahrlosung geschaffen hatte. Alles glänzte, war geschrubbt, ge tüncht und gewienert, daß es kaum wiederzuerkennen war. Kissen waren aufgeschüttelt und mit geometrischer Präzision verteilt wor den. Blumen standen nicht da, dafür durchdrang ein starker Karbol geruch das Haus.
Ben schnupperte und zog ein Gesicht. „Wie ein Krankenhaus“, sagte er. Er hatte Emmas Tasche abgestellt und verschwand jetzt in Richtung Küche. Emma durchquerte das Zimmer, stellte sich an den Kamin und wärmte sich die Hände am Feuer. Ganz allmählich schöpfte sie Hoffnung. Sie hatte befürchtet, es würde kein Willkom men geben. Doch Ben hatte sie am Bahnhof abgeholt, und im Kamin brannte ein Feuer. Mehr konnte kein Mensch verlangen.
Über dem Kamin hing das einzige Bild des Zimmers, das Ge mälde, das Ben von Emma gemalt hatte, als sie sechs Jahre alt war. Zum erstenmal in ihrem Leben - und, wie ihr bewußt wurde, zum letztenmal - hatte sie im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit gestanden, und allein aus diesem Grund hatte sie klaglos die stunden langen Sitzungen ertragen, die Langeweile, die Krämpfe und seine ungezügelte Wut, wenn sie sich bewegte. Für das Bild hatte sie einen Kranz aus Margeriten getragen, und jeder Tag hatte aufs neue die Freude gebracht, Bens geschickten Händen beim Flechten eines frischen Kranzes zuzusehen, und dann den Stolz, wenn er ihn ihr aufsetzte, als ob er eine Königin krönte.
Er kam wieder ins Zimmer. „Sie ist eine brave Seele, Daniels Frau. Das werde ich ihm sagen. Ich hatte sie gebeten, ein paar Vorräte einzulagern.“ Emma drehte sich um und sah, daß er eine Flasche Haigs und ein Wasserglas gefunden hatte. „Hol mir einen Krug Wasser Emma, ja?“ Ihm kam ein Gedanke. „Und noch ein Glas, wenn du auch was trinken möchtest.“
„Ich will nichts trinken. Aber ich hab Hunger.“
„Ich weiß nicht, ob sie diese Art von Vorräten eingelagert hat.“
„Ich sehe nach.“
Auch die Küche war gescheuert, geschrubbt und gefegt. Emma öffnete den Kühlschrank und fand Eier, Speck und eine Flasche Milch, und Brot war im Kasten. Sie nahm einen Krug von einem Haken an der Anrichte, füllte ihn mit kaltem Wasser und brachte ihn ins Wohnzimmer. Ben wanderte hin und her, fummelte an den Lampen, versuchte etwas zu finden, woran er herummäkeln konnte.
Er hatte dieses Haus immer gehaßt.
Sie fragte: „Soll ich dir Rühreier machen?“
„Was? O nein, ich möchte nichts. Weißt du, es ist komisch, wieder hier zu sein. Ich habe dauernd das Gefühl, daß Hester gleich erscheint und uns sagt, wir sollen mit etwas anfangen, das wir gar nicht tun wollen.“
Emma dachte an Christopher. Sie sagte: „Oh. Arme Hester.“
„Von wegen, arm. Streitsüchtige Zicke.“
Sie ging wieder in die Küche, förderte eine Pfanne zutage, eine Schüssel, Butter. Aus dem Wohnzimmer konnte sie die unentweg ten Geräusche hören, die Bens Rastlosigkeit verursachte. Er öffnete und schloß Türen, zog an einem Vorhang, beförderte mit dem Fuß ein Holzscheit ins Feuer. Gleich darauf erschien er in der Küchentür, eine Zigarette in der einen Hand, das Glas in der anderen. Er sah Emma zu, wie sie Eier
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