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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Spachtelkratzern, die im Laufe der Jahre eine verkrustete Farbschicht gebildet hatten. Unmittelbar über dem Tisch war ein schmales Bord und darauf aufge reiht eine Sammlung von objets trouves, die Ben hier und da ins Auge gefallen waren. Eine Muschel vom Strand, ein versteinerter Seestern. Ein blauer Krug mit getrockneten Gräsern. Die Postkartenreproduktion eines Picasso-Gemäldes, ein Stück ausgebleichtes Treibholz, von See und Wind zu einer abstrakten Skulptur ge schnitzt. Fotografien, wellig gewordene Schnappschüsse, fächerar tig in einem alten silbernen Speisekartenständer angeordnet, eine Einladung zu einer Vernissage, die vor sechs Jahren stattgefunden hatte, und schließlich ein schwerer, altmodischer Feldstecher.
    In Bodenhöhe lehnten unzählige Leinwände an der Wand, und mitten im Raum stand auf einer Staffelei das Bild, an dem Ben im Augenblick arbeitete, verdeckt mit einem verblichenen rosa Tuch. Vor dem leeren Ofen stand ein durchgesessenes Sofa, drapiert mit etwas, das wie Überreste eines arabischen Teppichs aussah. Auch ein alter Küchentisch mit abgesägten Beinen war vorhanden, und darauf befanden sich eine Zigarettendose, ein überquellender Aschenbecher, ein Stapel Studio-Ausgaben und eine grüne Glas schale mit bemalten Porzellaneiern.
    Die Nordwand war ganz aus Glas, mit schmalen Holzleisten quadratisch unterteilt und so gestaltet, daß sich die unteren Seg mente zur Seite schieben ließen. Davor stand eine lange Bank mit einem Haufen Kissen, und unter ihr lugten die Ausläufer eines weiteren Sammelsuriums von Treibgut hervor: Spieren von einem Boot, ein Stapel Surfbretter und eine Kiste mit leeren Flaschen. In der Mitte, unter einem offenen Fenster, waren zwei Eisenhaken in den Fußboden geschraubt worden, an denen eine Strickleiter befe stigt war. Die Leiter verschwand aus dem Fenster; neugierig ging Robert hin und sah, daß sie direkt auf den Sand hinunterfiel, sechs Meter tief.
    Bei Ebbe verwandelte sich der Strand in eine weite Fläche aus hartem, sauberem Sand, vom Himmel getrennt durch eine schmale Linie schäumender weißer Brecher. Näher zur Küste hin erhob sich eine Felsengruppe, überkrustet mit Schalentieren und Seetang; dar über schwebten Möwen, die gelegentlich herabstürzten, um sich kreischend um eine Beute zu balgen. Robert setzte sich auf die Fen sterbank und zündete sich eine Zigarette an. Als er wieder aufsah, war eine Gestalt am Horizont erschienen, direkt am Rand des Was sers. Sie trug ein langes weißes Gewand wie ein Araber, und als sie auf das Atelier zugeschritten kam, schien es, als mühe sie sich mit einem großen, undefinierbaren roten Paket ab.
    Robert erinnerte sich an den Feldstecher auf Bens Tisch. Er holte ihn, und in der Vergrößerung wurde die Gestalt deutlich und ent puppte sich als Emma Litton, die langen Haare wehend, angetan mit einem riesigen weißen Frotteebademantel. Mit einiger Mühe, weil der Wind es ständig auf der Breitseite packte und ihr entreißen wollte, schleppte sie ein scharlachrotes Surfbrett.
     
    „Sie waren doch nicht etwa schwimmen?“
    Emma, die sich mit dem Surfbrett abmühte, hatte ihn am Fenster nicht gesehen. Jetzt, mit einer Hand an der Strickleiter, hätte sie beim Klang seiner Stimme vor Schreck beinahe das Gleichgewicht verloren. Sie blickte hoch, das Surfbrett im Arm, die nassen schwar zen Haare vom Wind durcheinandergewühlt.
    „Doch. Haben Sie mich erschreckt. Wie lange sind Sie hier?“
    „Ungefähr zehn Minuten. Wie wollen Sie das Surfbrett die Leiter raufkriegen?“
    „Das habe ich mich auch schon gefragt, aber nachdem Sie aufge kreuzt sind, ist das kein Problem mehr. Unter der Bank ist ein Seil. Wenn Sie das eine Ende runterwerfen, binde ich das Brett an, und Sie können es raufziehen.“
    Dies wurde weisungsgemäß ausgeführt. Robert hievte das Brett durchs Fenster, und dann folgte Emma selber, Gesicht, Hände und Füße mit trockenem Sand überkrustet, die schwarzen Wimpern ge spickt wie Seesterne.
    Sie kniete sich auf die Fensterbank und lachte ihn an. „Na, wenn das kein Glücksfall war! Was hätte ich sonst angefangen? Ich konnte es kaum über den Strand kriegen, geschweige denn die Leiter rauf.“
    Unter dem Sand war ihr Gesicht blau vor Kälte. Er schüttelte den Kopf. „Kommen Sie rein, und machen Sie das Fenster zu... der Wind ist eisig. Wie haben Sie das bloß ausgehalten, schwimmen zu gehen? Sie werden an Lungenentzündung sterben.“
    „Nein, bestimmt nicht.“ Sie stieg auf den Fußboden

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