Lichterspiele
von den Felsen auf und wurde am Himmel entlanggejagt. Dann legte sich der Wind genauso plötzlich wieder.
Emma fragte: „Warum soll er wieder hin?“
„Wegen der Ausstellung.“
Als sie den weißen Frotteemantel fallen ließ, stand sie in Jeans da und zog sich einen marineblauen Pullover über den Kopf.
„Aber ich dachte, er und Marcus hätten das alles schon im Januar in New York geregelt.“
Das dachten wir auch. Aber sehen Sie, diese Ausstellung wird von einer Privatperson finanziert.“
„Ich weiß“, sagte Emma, als sie sich umdrehte und ihre dunklen Haare mit einer ruckartigen Bewegung aus dem Rollkragen des Pullovers befreite. „Ich habe in Realites alles darüber gelesen. Mrs. Kenneth Ryan. Die Witwe des reichen Mannes, dessen Denkmal das Queenstown Museum of Fine Arts ist. Sie sehen, ich bin gut informiert. Ich hoffe, Sie sind beeindruckt.“
„Und Mrs. Kenneth Ryan wünscht eine Vernissage.“
„Warum hat sie das nicht gleich gesagt?“
„Weil sie nicht in New York war. Sie hat sich in Nassau auf den Bahamas oder in Palm Beach oder sonstwo gesonnt. Ben hat sie nie gesehen. Er hat nur den Museumsdirektor gesprochen.“
„Und jetzt wünscht Mrs. Ryan, daß Ben Litton zurückkommt, damit sie eine nette kleine Champagnerparty veranstalten und ihn ihren vielen einflußreichen Freuden vorzeigen kann wie eine Tro phäe. Das macht mich krank.“
„Sie hat es nicht nur beschlossen, Emma, sie ist gekommen, um ihn zu überreden.“
„Gekommen? Sie meinen, nach England?“
„Ich meine nach England, in die Galerie Bernstein, und nach Porthkerris. Sie ist gestern mit Marcus und mir hergefahren und sitzt in diesem Augenblick im Castle an der Bar, trinkt sehr kalte Martinis und wartet, daß wir alle mit ihr Mittag essen.“
„Also, ich gehe bestimmt nicht mit.“
„Sie müssen. Sie rechnet mit uns allen.“ Er sah auf seine Armbanduhr. „Und wir sind spät dran. Beeilen Sie sich.“
„Weiß Ben von der Vernissage?“
„Er dürfte es inzwischen wissen. Marcus wird es ihm gesagt haben.“
Sie hob einen braunen Segeltuchkittel vom Boden auf und zog ihn über ihren Pullover. Als sie den Kopf durch den Halsausschnitt steckte, sagte sie: „Ben will vielleicht nicht weg.“
„Sie meinen, Sie wollen nicht, daß er weggeht?“
„Ich meine, er hat sich hier wieder eingelebt. Er treibt sich nicht herum, er ist nicht unruhig, er trinkt nicht mal besonders viel. Er arbeitet wie ein Berserker, und was er macht, ist frisch, neu und besser denn je. Ben ist immerhin sechzig. Wenn man ihn ansieht, ist es kaum zu glauben, aber er ist wirklich fast sechzig. Ist es nicht denkbar, daß dieses ewige Herumschwirren in aller Welt ihn nicht mehr anregt, sondern schlichtweg auslaugt?“ Sie kam wieder zum Sofa und setzte sich Robert gegenüber, ihr ernstes Gesicht auf glei cher Höhe mit seinem. „Bitte, wenn er nicht weg will, versuchen Sie nicht, ihn zu überreden.“
Robert hielt immer noch das Porzellanei in der Hand. Er betrach tete es aufmerksam, als würden seine blaugrünen Windungen auf wundersame Weise die Lösung aller Probleme enthalten. Dann legte er es vorsichtig zurück in die Glasschale zu den anderen. „Sie tun, als wäre dies eine große Sache, so als würde er in die Staaten zurück kehren, um wieder zu unterrichten, und jahrelang nicht wieder kommen. Aber so ist es ja nicht. Es ist bloß eine Party. Er muß höchstens ein paar Tage wegbleiben.“ Sie öffnete den Mund zu einem neuerlichen Protest, aber er fiel ihr ins Wort. „Und Sie dürfen nicht vergessen, daß diese Ausstellung eine große Huldigung an Ben ist. Da wurde eine Menge an Geld und Organisation reingesteckt, und das mindeste, was er tun kann, ist vielleicht...“
Emma unterbrach ihn wütend. „Das mindeste, was er tun kann, ist für eine fette alte Amerikanerin auf und ab stolzieren wie ein Schoßäffchen. Und das Schreckliche dabei ist, daß ihm so was auch noch gefällt. Das hasse ich, daß es ihm gefällt.“
„Nun gut, es gefällt ihm eben. Wenn er hin will, wird er also fliegen:“
Sie saß da, stumm, die Augen niedergeschlagen, der Mund schmollend wie bei einem Kind. Robert rauchte seine Zigarette zu Ende und drückte sie aus, dann stand er auf und sagte, sanfter jetzt: „Kommen Sie, sonst verspäten wir uns. Haben Sie einen Mantel?“
„Nein.“
„Aber Schuhe, Sie müssen doch Schuhe haben.“
Emma griff unter das Sofa, zog ein Paar Riemensandalen hervor, stand auf und fuhr mit bloßen Füßen hinein.
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