Lichterspiele
Ihre Füße waren noch mit Sand bedeckt, und der Segeltuchkittel hatte Flecken von weißer Tünche.
Sie seufzte. „In diesem Aufzug kann ich nicht zum Mittagessen ins Castle gehen.“
„Unsinn“, sagte er in bemüht aufmunterndem Ton. „Sie geben den Einwohnern was zu tratschen. Das hellt ihr eintöniges Leben unendlich auf.“
„Hab ich keine Zeit mehr, vorher ins Cottage zu gehen? Ich hab nicht mal einen Kamm.“
„Einen Kamm kriegen Sie im Hotel.“
„Aber...“
„Wir haben einfach keine Zeit mehr. Wir sind sowieso schon spät dran. Kommen Sie jetzt?“
Sie gingen zusammen aus dem Atelier, die Rampe hinauf und auf die sonnenbeschienene Straße hinaus und machten sich auf den Weg zum Hafen. Nach der Kälte des Ateliers fühlte die Luft sich warm an, das Leuchten des Meeres wurde von den weißgetünchten Mauern der Häuser reflektiert und schmerzte im Auge wie gleißen der Schnee.
5
E mma wollte auf gar keinen Fall ins Sliding Tackle. „Ich warte hier. Gehen Sie rein und eisen Sie sie los.“
„Na gut.“
Sie beobachtete, wie er unter der Veranda den Kopf einziehen mußte, um hineinzugelangen. Die Tür der Kneipe fiel hinter ihm zu. Emma schlenderte zu seinem Wagen hinüber und begutachtete ihn interessiert, schließlich gehörte er Robert und konnte deshalb weitere Aufschlüsse über seinen Charakter liefern, wie ein Bücherregal oder die Bilder, die sich jemand an die Wand hängt. Doch abgesehen davon, daß er dunkelgrün und mit Nebelscheinwerfern, Speichenrädern und mehreren Autoclubplaketten ausgestattet war, gab der Alvis wenig preis. Im Handschuhfach sah sie Zigaretten und einen Straßenatlas. Auf dem Fahrersitz lag eine Tweedmütze, auf dem Rücksitz, ordentlich zusammengefaltet, eine dicke, teuer ausse hende karierte Decke. Emma dachte, daß er entweder vertrauens voll oder sorglos sein mußte. Aber offensichtlich hatte er auch Glück, immerhin war die Decke noch nicht gestohlen worden.
Ein Windstoß kam von der See her, und Emma fröstelte. Nach dem Surfen und dem Aufenthalt in dem zugigen Atelier war ihr noch arg kalt. Ihre Hände waren taub und völlig farblos geworden, die Fingernägel blau gefärbt. Aber das Metall des Wagens war warm, und sie lehnte sich behaglich vornüber auf die Kühlerhaube, die Hände gespreizt wie Seesterne.
Die Tür der Kneipe ging auf, und Robert Morrow erschien wieder, sich vorsichtig duckend.
„Sind sie nicht da?“
„Nein. Wir sind spät dran, und sie hatten keine Lust zu warten, deshalb haben sie sich von jemandem mit zum Hotel nehmen las sen.“ Er öffnete die Tür an der Fahrerseite, setzte die Mütze auf und zog sie bis an die Nase herunter, was seinem eindrucksvollen Profil zusätzliche Schärfe verlieh. „Kommen Sie... Er beugte sich hinüber und öffnete die Beifahrertür, und Emma löste sich von der Kühler haube und stieg neben ihm ein.
Sie ließen den Hafen hinter sich, brausten durch die Stadt, die steilen engen Straßen hinauf, zwischen schmucken Häuserzeilen mit Schildern, die Übernachtung und Frühstück versprachen, und Vorgärten, in denen traurige Palmen die Köpfe in dem fremden Wind hin und her warfen. Sie kamen auf die Hauptstraße, immer noch ansteigend, bogen in die Zufahrt zum Hotel Castle ein, fuhren weiter bergauf, zwischen Hortensiensträuchern und landwärts geneigten Ulmen, und gelangten schließlich oben auf dem Hügel auf ein freies Gelände mit Tennisplätzen, Rasenflächen und einem Minigolfplatz. Das Hotel war ein ehemaliges Landhaus und rühmte sich seiner authentischen Atmosphäre. Eine an Pfosten be festigte weiße Kette verhinderte, daß Autos auf den geschwunge nen Kiesweg vor dem Hotel fuhren, und hier saß eine Handvoll abgehärteter Gäste in Liegestühlen, mit Schals, Handschuhen und in Decken gewickelt wie Passagiere auf einem Ozeandampfer. Sie lasen Bücher oder Zeitungen, doch als der Alvis die Zufahrt hinaufbrauste und unter lautem Kiesknirschen vorfuhr, ließ man die diverse Lektüre sinken. Roberts und Emmas Ankunft wurde beob achtet und kommentiert, als handele es sich um Besucher von einem anderen Stern.
Robert grinste: „Wir sind vermutlich das erste aufregende Ereignis, seit der Direktor in den Swimmingpool gefallen ist.“
Als sie durch die Drehtür kamen, umfing sie die Wärme des Hau ses wie in einem großen Ofen. Emma behauptete, derartigen Komfort zu verachten, aber heute war sie ausgesprochen dankbar dafür.
„Ich nehme an, die anderen sind in der Bar“, sagte
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