Lichterspiele
ist kein gewöhnlicher Durchschnitts vater; das erzählen Sie mir doch selbst dauernd.“
„Emma, jetzt hören Sie mal zu...!“
Plötzlich flog die Küchentür auf, und eine lallende, muntere Stimme unterbrach ihn mitten im Satz. „Na, ihr zwei habt ja eine nette kleine Unterhaltung!“
Robert drehte sich um. In der offenen Tür stand der junge Mann, der in Daisies on the Grass den steifen Börsenmakler gespielt hatte. Nur war er nicht mehr steif, sondern schlichtweg stockbetrunken, und um sich zu stützen, hing er am Türsturz wie ein Affe, der an einem Trapez schaukelt.
„Hallo, Schätzchen“, sagte er zu Emma. Er ließ die Tür los, wankte in die winzige Küche und beugte sich vor, um Emma zu küssen. Es war ein lauter, schmatzender Kuß, aber er traf fünfzehn Zentimeter an ihrem Gesicht vorbei.
„Wir haben Besuch“, bemerkte er. „Und draußen parkt ein verflucht dicker Wagen. Wirkt unheimlich vornehm.“
Seine Beine knickten ein, und er stützte sich in letzter Sekunde am Tisch ab. Als hätte er ihn jetzt erst entdeckt, lächelte er Robert wohlwollend an. „Wie heißt du?“
„Er heißt Robert Morrow“, sagte Emma kurz angebunden. „Und ich mach Kaffee.“
„Will keinen Kaffee. Ich will keinen Kaffee.“ Er hob abwehrend die Hände, und wieder ließen ihn seine Beine im Stich. Diesmal fing Robert ihn auf und hievte ihn in aufrechte Position.
„Danke, alter Knabe. Sehr freundlich von dir. Emma, wie wär's mit 'ner kleinen Stärkung? Das leibliche Wohl, du kennst das ja. Ich hoffe, du hast diesen netten Kerl hier eingeladen, zum Essen zu blei ben. Nebenan ist 'ne scharfe Blonde, die quatscht Christopher die Hucke voll. Kennt die jemand?“
Keiner machte sich die Mühe, ihm zu antworten. Emma drehte sich zum Herd, hob den Deckel vom Kessel und schloß ihn wieder. Johnny Rigger starrte ihren Rücken und dann Robert an; offenbar wartete er darauf, daß man ihm das Leben mit all seinen Komplika tionen erklären würde.
Robert traute sich nicht zu sprechen. Am liebsten hätte er diese schwankende Schnapsleiche am Genick gepackt und irgendwohin geschmissen, vorzugweise in die Mülltonne, in die er vorhin den unappetitlichen Inhalt des Abfalleimers gekippt hatte. Dann wäre er gern zurückgekommen, hätte Emma über die Schulter geworfen und sie auf den Rücksitz seines Wagens gesetzt, um mit ihr nach London zu fahren, nach Porthkerris, nach Paris - egal wohin, bloß weg von diesem gräßlichen Keller, von dem Theater, von der deprimierenden Vorstadtgegend.
Er starrte auf ihren störrischen Rücken, wollte sie mit Blicken zwingen, sich umzudrehen. Aber sie rührte sich nicht, und ihr schmaler Hals, ihr gerupfter Kopf und ihre hängenden Schultern, die ihn eigentlich hätten rühren müssen, brachten ihn nur in Wut.
Schließlich sagte er förmlich: „Dies ist für uns alle bloß Zeitver schwendung. Ich denke, Jane und ich sollten jetzt gehen.“
Emma nahm das schweigend hin, aber Johnny protestierte wild. „O nein, du mußt bleiben, alter Freund. Bleib und iß was...“
Robert hatte sich an ihm vorbeigeschoben und war schon im Flur. Er fand die anderen beiden in eine Unterhaltung vertieft, sie ahnten nichts von dem Drama in der Küche. Christopher sagte gerade: „Ja, es ist ein großartiges Stück. Und was für eine Rolle! Man kann darauf aufbauen, sie aber nie überfrachten, nie der Inszenierung in die Quere...“
Robert erinnerte sich verbittert an einen alten Schauspielerwitz: 'Und jetzt laß uns von dir reden, mein Freund. Wie fandst du meine Vorstellung?'
„Ich hoffe, Sie sprechen nicht von Daisies on the Grass“, unter brach er scharf.
Christopher drehte sich um. „Großer Gott, nein! Das Thema ist
Present Laughter. Was macht Emma?“
„Euer Freund ist zurückgekommen.“
"Johnny? Ja, er kam hier eben vorbeigewankt.“
„Er ist betrunken.“
„Das ist er meistens. Wir füllen ihn mit schwarzem Kaffee ab und wuchten ihn ins Bett. Am Morgen fühlt er sich pudelwohl. Ausge sprochen ungerecht, wirklich.“
„Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb er hier bei Ihnen und Emma wohnt?“
Christopher hob die Augenbrauen. „Einen sehr guten Grund.“ Seine Stimme klang kühl. „Die Wohnung gehört ihm. Er war zuerst hier. Ich war der zweite. Emma bildete die sehr tatkräftige Dritte.“
Es entstand eine Gesprächspause. Jane spürte die in der Luft lie gende Spannung und mischte sich taktvoll ein. „Robert, es wird spät...“ Sie nahm Handtasche und Handschuhe und erhob
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