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Lichterspiele

Lichterspiele

Titel: Lichterspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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du erwartet hast“, sagte er trocken, „aber bekommen hast du dies.“
    Das war es also. Zum erstenmal befand sich Robert in absoluter Übereinstimmung mit seiner Schwester Helen. Die Littons waren hochintelligent, unberechenbar und charmant. Aber sie weigerten sich, irgendwelchen Verhaltensregeln zu folgen, und sie wollten sich gegenseitig nicht helfen. Das machte sie zu unzumutbaren Menschen.
    Zu seiner Verwunderung stellte er fest, daß Emma leicht zu ver gessen war. Er konnte sie so herzlos aus seinem Gedächtnis streichen wie einen alten Koffer voll Trödel, verbannt in die dunkelsten Winkel eines entlegenen, staubigen Speichers. Und sein Leben war so ausgefüllt, daß die durch Emma hinterlassene Leere fast über gangslos von lohnenderen Gedanken besetzt wurde.
    In der Galerie herrschte hektische Betriebsamkeit. Roberts Tage waren ein Karussell von potentiellen Kunden, ausländischen Besu chern und eifrigen jungen Künstlern, die Mappen brachten, prall gefüllt mit mittelmäßigen Werken. Ob Bernstein wohl eine Ausstel lung für sie arrangieren würde? Ob Bernstein dieses vielverspre chende neue Talent fördern könne? Die Antwort lautete gewöhn lich nein, das könne Bernstein leider nicht, aber Marcus war ein liebenswürdiger Mensch, und es war eine Hausregel, daß kein junger Mann nach Glasgow, Bristol oder Newcastle oder wo immer er herkam, zurückgeschickt wurde, ohne eine gute Mahlzeit im Magen und den Betrag für die Rückfahrt in der Tasche der von ehrlicher Arbeit fleckigen Jeans.
    Robert stellte fest, daß seine Vitalität diesen Anforderungen abso lut gewachsen war und daß seine Energie bei vollem Tempo nicht nachlassen konnte oder wollte. Er konnte es nicht ertragen, nichts zu tun zu haben, er füllte seine Freizeit mit unzähligen Aktivitäten, und erstaunlich viele davon waren mit Jane Marshall verbunden.
    Daß ihre Arbeitszeiten nicht immer übereinstimmten, störte ihn durchaus nicht. Manchmal kam er auf dem Heimweg von der Gale rie auf einen Drink in ihr Haus und traf sie noch mit einer Schürze an, meterweise Borten auf einen Vorhangstoff nähend, oder sie ent warf auf Millimeterpapier eine komplizierte, mit Bögen verzierte Blendleiste. Manchmal war sie nicht in der Stadt, und dann ver brachte er den Abend mit körperlicher Arbeit, indem er wild ent schlossen den Garten umgrub oder den Rasen mähte.
    An einem Wochenende fuhr er mit Jane nach Bosham, wo Janes Bruder ein kleines Cottage besaß und auf dem kabbeligen Wasser des Hard einen Katamaran vertäut hatte. Sie segelten den ganzen Sonntag, eine steife Brise wehte, die Sonne schien hell und sengend, und am Ende des Tages saßen sie, träge von der vielen frischen Luft, in der Dorfkneipe, tranken Bier vom Faß und spielten Pennyschnippen. Sie fuhren sehr spät nach London zurück, das Verdeck des Alvis war offen, und der Wind blies Wolkenfetzen vor die Sterne.
    Am nächsten Tag sagte Helen zum tausendstenmal: „Ich finde, du solltest sie heiraten.
    Robert versuchte, sein schlechtes Gewissen zu ignorieren. „Mal sehen. Vielleicht“, entgegnete er ausweichend.
    „Aber wann? Worauf wartest du?“
    Er antwortete nicht, weil er es nicht wußte. Er wußte nur, daß jetzt nicht die Zeit war, um Pläne zu machen oder sich festzulegen oder mit dem Analysieren der Gefühle zu beginnen, die er für Jane hegte.
     
    Jetzt wurde er von Helen aus seinen Gedanken gerissen, die mit einem Teetablett zurückkehrte. Sie setzte es ab, und der Eisentisch knirschte unter den Steinen, als sie ihn näher an seinen Stuhl rückte. „Marcus hat heute mittag angerufen“, bemerkte sie.
    Marcus war wieder in Schottland. Der schottische Baronet und Whiskyliebhaber, der so darauf erpicht gewesen war, sich von sei nen Kunstschätzen zu trennen, wurde von seinem Sohn gebremst. Vermutlich wollte der junge Mann sein Erbe sichern. Jedenfalls wei gerte er sich, dem Verkauf zuzustimmen, wenn nicht dreimal soviel gezahlt wurde, wie sein trinkfreudiger Vater gefordert hatte. Nach zahlreichen teuren Telefonaten hatte Marcus widerwillig eingesehen, daß ein weiterer Besuch in Schottland unumgänglich war. Das Geschäft hatte immer Vorrang vor persönlichen Neigungen und Vorlieben, und wenn er, um dieser Bilder habhaft zu werden, in feuchten Betten und eiskalten Zimmern schlafen und entsetzlich zubereitete Mahlzeiten verzehren mußte, dann nahm er das bereitwil lig in Kauf.
    „Wie kommt er voran?“
    „Er war ziemlich zurückhaltend. Zweifellos hat er in einer hohen,

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