Lichterspiele
Christos Essen aus dem Ofen zu nehmen.
Christo rieb sein Kinn an ihrer Wange. „Was hast du?“ fragte er sanft.
„Nichts.“ Er mochte es nicht, wenn sie sagte, sie sei müde. Er war nie müde. Er wußte nicht, was das Wort bedeutete.
Er sagte ihr ins Ohr: „Es war ein guter Tag, nicht?“
„Ja. Ein guter Tag.“
Arm in Arm gingen sie durch die Gasse zur Straße. Robert hörte ihre Stimmen und stieg aus dem Wagen. Sie kamen auf ihn zu, mal in den Lichtflecken, die die Straßenlaternen warfen, mal im Schatten. Sie gingen wie ein Liebespaar, Emma mit übergehängtem Pullover, Christo mit einem dicken Textbuch unter dem Arm und einer Zigarette zwischen den Fingern. Als sie beim Wagen anlangten, blieben sie stehen. „Hallo“, sagte Christopher lächelnd.
„Christo, das ist Robert Morrow und Miss Marshall...“
„Mrs. Marshall“, korrigierte Jane freundlich, über die Rücken lehne des Beifahrersitzes gebeugt. „Hallo, Christopher.“
„Entschuldigen Sie, daß es so lange gedauert hat“, sagte Christo. „Emma hat mir eben erst erzählt, daß Sie hier sind. Und sie hatte ihren abendlichen Krach mit Collins, also waren wir alle ziemlich beschäftigt. Ich höre, Sie kommen mit auf ein Bier oder so. Leider haben wir nichts Anspruchsvolleres.“
„Das ist ganz okay“, sagte Robert. „Wenn Sie uns den Weg sagen können ...“
„Natürlich.“
Die Wohnung lag im Kellergeschoß in einer ärmlichen viktoriani schen Häuserzeile, die einmal bessere Tage gesehen hatte. Die Häu ser waren reichlich mit Giebeln, phantasievollem Schnitzwerk und Buntglasfenstern verziert, aber die Straße selbst wirkte schäbig, die Gardinen hinter den Fenstern hingen trübselig durch und waren nicht immer sauber. Eine abgetretene Steintreppe führte in einen Hof mit Mülltonnen und mehreren Töpfen mit verwelkten Gera nien hinab, und als sie hinunterstiegen, hörten sie den Wutschrei einer enttäuschten Katze, und ein schwarzes, rattenähnliches Etwas schoß zwischen ihren Beinen die Treppe hinauf. Jane stieß einen leisen Schreckensschrei aus.
„Keine Angst“, sagte Emma. „Das ist bloß eine Katze.“
Christo öffnete die Tür, ging voraus und schaltete die Deckenbe leuchtungen ein; die möbliert vermietete Wohnung war nicht mit Stehlampen ausgestattet. Johnny hatte begonnen, ein paar Lampen aus Chiantiflaschen zu basteln, aber er war nicht über den Kauf von Zwischensteckern und ein paar bunten Lampenschirmen hinausge kommen. Die Zimmer der Wohnung waren oberflächlich umgebaut worden, es war ihnen immer noch anzusehen, daß sie ursprünglich als Küchen, Speisekammern und Waschküchen gedient hatten. Ein alter Herd war aus der Wand gerissen und die entstandene Lücke mit abgeblätterten Regalen gefüllt worden, die zur Aufbewahrung für alles mögliche dienten - Bücher, Schuhe, Textbücher, Zigaret ten, Briefe und einen Stapel alter Illustrierten. Ein Diwan, obwohl mit einem roten Vorhang bedeckt und mit spärlich gefüllten Kissen überhäuft, blieb dennoch hartnäckig ein Bett. Ein paar wacklige Kü chenstühle und ein Klapptisch waren vorhanden, und der geflieste Fußboden war notdürftig mit einem ältlichen Teppich belegt, der längst jede Farbe und fast allen Flor verloren hatte. Die Wände waren getüncht, hatten aber feuchte Flecken, wie Landkarten, und die Ecken eines Stierkampfplakats, das an die Ziegelsteine gepinnt war, rollten sich bereits auf. Es roch nach Mäusen und Moder, und sogar an diesem heißen Sommerabend war die stickige Luft feuchtkalt wie das Innere einer Höhle.
Christo warf sein Textbuch auf einen Tisch und öffnete das Fen ster, das mit Eisenstangen geschützt war wie in einem Gefängnis.
„Lassen wir erst mal Luft in die Bude. Wir müssen immer alles dichtmachen, wegen der Katzen, die kommen überall rein. Was möchten Sie trinken? Bier ist da, falls Johnny nicht alles weggetrunken hat... oder vielleicht möchten Sie Kaffee. Haben wir Kaffee da, Emma?“
„Pulverkaffee. Anderen kaufe ich nicht, weil nichts da ist, um ihn zu kochen. Nehmen Sie Platz... setzen Sie sich aufs Bett. Irgendwo hin. Da müssen noch Zigaretten sein...“ Sie fand eine Schachtel, reichte sie herum, suchte einen Aschenbecher, während Robert sie anzündete. Es gab keinen Aschenbecher, deshalb ging sie durch den gefliesten Flur zur Küche, um ein paar Untertassen zu holen. Der Spülstein war randvoll mit schmutzigem Geschirr, und einen Mo ment lang konnte sie sich nicht vorstellen, wann sie das alles
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