Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
Muskeln entspannten sich und sie lag in den Armen des Sedhar wie ein nasser Sack. Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht, dann begann sie, zu zittern.
»Lass das.« Sie stieß Braunlocke dann doch von sich weg und zog sich den Mantel enger um die Schultern. »Mir ist kalt.« Ihre Stimme klang wie die eines jungen Mädchens, vielleicht war sie noch nicht einmal volljährig.
Eine andere Frau lachte und machte eine abwertende Geste. »Kalt? Liebchen, es ist Spätsommer.«
Die Geküsste funkelte die Sprecherin böse an. Jil schoss die Erinnerung wie ein Pfeil in den Leib. Hatte sie nicht auch so erbärmlich gefroren, als Cryson sie geküsst hatte? Der Gedanke an Cryson veranlasste Jil sogleich, den Blick von dem liebenden Pärchen loszureißen. Wo war Cryson?
Sie entdeckte ihn etwas abseits der Gruppe. Es sah aus, als würde er angestrengt in die Nacht hinein lauschen. Plötzlich kippte die ausgelassene Stimmung, als Cryson einen jenseitigen Laut ausstieß, halb Fauchen, halb Knurren. Jil lief ein Schauer über den Rücken. Sofort zersprengte sich die Gruppe, die Sedharym hechteten mit ihren übernatürlich schnellen Bewegungen an die Seite, während die Menschen konsterniert zurückblieben und sich verängstigte Blicke zuwarfen. Keine Sekunde später tauchten aus einer Seitengasse weitere Gestalten auf, ihre Augen glühten in allen Gelbschattierungen. Dann fiel ein Schuss. Die Menschen kreischten und rannten davon. Im Wohnhaus gegenüber wurde eine Lampe entzündet. Wenig später reckten bereits die ersten Schaulustigen ihre Köpfe aus den Fenstern.
Mehrere Male vernahm Jil diesen markerschütternden Laut, der unter den Sedharym vielleicht eine Art Warnruf darstellte. Die Menschen der Gruppe waren längst in alle Winde verstreut, aber einer der Sedharym, die diese Versammlung gesprengt hatten, lief ihnen hinterher. Jil gefror das Blut in den Adern. Sie hatte sich niemals vor Gruselgeschichten gefürchtet, aber dies hier war real. Vollkommen still blieb sie auf der Mauer liegen, traute sich nicht einmal, einen Finger zu rühren. Sie war dazu verdammt, die Szenen mitanzusehen, die sich direkt vor ihren Augen abspielten. Sie wollte wegsehen, aber sie starrte wie gebannt auf die schnellen katzengleichen Bewegungen der Sedharym. Es sah beinahe aus wie ein Tanz, obwohl es unverkennbar ein blutiger Kampf war. Fünf weitere Sedharym waren dazu gestoßen, in ihren Händen blitzten Säbel und Pistolen.
Vartyden. Dieses Wort schoss Jil in den Kopf und brannte sich hinein. Vartyden. Die Wächter .
Cryson hatte recht. Sie waren brutale Bestien. Jil zweifelte nun nicht mehr an seinen Worten. Unbarmherzig stürzten die Vartyden sich auf ihre Artgenossen, trieben ihnen die Klingen in die Leiber, schlitzen ihnen die Kehle auf. Ihre Opfer waren unbewaffnet, sie hatten keine Chance außer der Flucht.
Hastig suchte Jil mit den Blicken nach Cryson. Er hatte einem seiner Angreifer die Pistole aus der Hand getreten und lieferte sich mit ihm nun ein Duell Mann gegen Mann. Jils Menschenaugen vermochten ihre Bewegungen kaum zu verfolgen. Gerade eben noch hatte Jil sich nichts sehnlicher als die Freiheit gewünscht, jetzt wünschte sie sich nur, dass sie dieses Schauspiel nie gesehen hätte.
Es konnte keinen Sieger geben. Cryson war stark, aber nicht stärker als sein Angreifer. Dieser rief mit einem seiner fauchenden Laute nach Verstärkung, und Cryson blieb angesichts des wirbelnden Krummsäbels nichts anderes übrig, als sich davonzumachen. Sekunden später war es still. Die fünf Vartyden standen mit blutgetränkten Waffen mitten auf der Straße. Die Menschen in den umliegenden Häusern hatten längst die Fensterläden geschlossen. Jil bildete sich ein, die Angst zu riechen, die in der Luft hing.
Es war ein grauenhafter Anblick. Einen der Sedharym hatte es erwischt. Sein Körper lag in einer grotesk verbogenen Haltung im Rinnstein, sein Kopf einen Meter neben ihm. Seine Augen waren vor Panik geöffnet, obwohl das Leben längst aus ihnen gewichen war. Jil kämpfte mit der Übelkeit. Der Geruch von Blut stieg ihr in die Nase. Sie zitterte nun am ganzen Leib, kaum noch imstande, sich versteckt zu halten. Dann nickten sich die Unruhestifter stumm zu und verschwanden in derselben Gasse, aus der sie gekommen waren. Jil wollte einen Versuch unternehmen, die Mauer zu verlassen, doch ihre Kräfte hatten sie verlassen. Ihr ganzer Körper fühlte sich an, als wären keine Muskeln oder Knochen darin. Ihr Atem ging flach, immer wieder fühlte sie
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