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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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breiten Lächeln, ganz so, wie Jil ihn in Erinnerung hatte.
    »Ach Firio, du ahnst nicht, was ich alles erlebt habe in den letzten Wochen.«
    »Haben sie dich eingebuchtet?« Er zwinkerte ihr zu und strich sich seinen Flickenanzug glatt, den Jil ihm bei ihrer Umarmung zerknittert hatte.
    »Nun ja, sozusagen.«
    Firio klopfte Jil freundschaftlich auf die Schulter. »Wichtig ist nicht, was war oder sein wird, wichtig ist, was jetzt und hier geschieht. Also lass uns doch etwas spazieren gehen und diesen schönen Abend genießen.«
    Es sah Firio ähnlich, keine Fragen zu stellen. Er war und blieb ein Unikat, ein Sonderling, der das Leben auf sich zukommen ließ. Jil nickte ihm zu. Eigentlich war sie froh, dass er sie nicht um eine Berichterstattung bat. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie ihm die Wahrheit erzählt hätte. Diese Geschichte war einfach zu unglaublich.
    Sie spazierten durch die Straßen von Haven, als sei Jil nie fort gewesen. Firio berichtete ihr von neuen Liedern, die er geschrieben hatte, von neuen Witzen, die er sich ausgedacht hatte und von allerhand anderem belanglosen Zeug, das Jil mit einem Mal wertzuschätzen wusste. Als sie am Hafen angelangt waren, setzten sie sich auf eine Mauer am Rand der Hafenpromenade. Es dämmerte bereits. Möwen kreischten über ihren Köpfen, im Hintergrund rauschte das aufgewühlte Wasser. Ein lauer Wind wehte.
    Firio zog die Augenbrauen zusammen und starrte nachdenklich aufs Meer hinaus. Momente, in denen Firio nicht lachte oder schwatzte, waren selten.
    »Deine Schwester verhält sich merkwürdig«, sagte er. Jil fielen zum ersten Mal die Falten auf, die sein Gesicht alt wirken ließen.
    »Meine Schwester? Woher kennst du meine Schwester?« Die Erinnerungen an ihre Familie kehrten mit einem Paukenschlag zurück. Jil hatte lange nicht mehr an Dana und ihren Vater gedacht. Sie stellte sich ihre überraschten Gesichter vor, wenn sie plötzlich wieder auf der Türschwelle stand. Würde sie überhaupt zu ihnen zurückkehren wollen? Ein Frösteln fuhr Jil über den Rücken. Sie hatte sich geschworen, nie wieder unter solch erbärmlichen Umständen leben zu wollen. Doch das bedeutete gleichzeitig, dass sie zu Cryson zurückkehren musste, wenn sie nicht obdachlos sein wollte…
    Jil schüttelte den Gedanken ab. »Was ist denn mit meiner Schwester? Nun sag doch schon.«
    Firio wandte ihr den Kopf zu und sah Jil mit einem Stirnrunzeln an. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass seine Augen grau waren.
    »Ich habe sie gestern in der Stadt getroffen. Als ich ihr gesagt habe, dass ich dich seit Wochen nicht gesehen habe, ist sie davon gerannt wie von einer Biene gestochen. Stimmt mit ihr etwas nicht? Ist sie…« Er tippte sich an die Stirn. »Na du weißt schon. Schwachsinnig?«
    Jil benötigte einige Sekunden, um ihre Gedanken zu sortieren. Ein derartiges Benehmen passte nicht zu ihrer Schwester. Etwas musste sie in ihren Grundfesten erschüttert haben.
    »Sie hat sicherlich gedacht, ich sei all die Wochen bei dir gewesen«, sagte Jil.
    Firio schüttelte den Kopf. »Und das ist ein Grund, sich so komisch zu verhalten? Nur weil du dich dazu entschlossen hast, eine Auszeit zu nehmen?«
    Eine Weile saßen sie schweigend auf der Mauer, bis die Sonne vollständig untergegangen war. Jil war in ihre Gedanken versunken. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie heute Nacht zu ihrer Familie oder zu Cryson zurückkehren sollte. Sicherlich wäre es nobler, zu ihrer Familie zurückzukehren, aber der Ekel und die Abneigung waren in der Zeit des Überflusses derart groß geworden, dass Jil sich mit einem ausgewachsenen Zwiespalt konfrontiert sah.
    »Firio?«, flüsterte sie.
    Der bärtige Mann wandte sah sie mit erwartungsvollen Blicken an.
    »Hast du je darüber nachgedacht, etwas zu tun, das nicht dir selbst zugutekommt?«, fragte sie. »Ich meine, hast du je etwas getan, nur jemand anderem zuliebe?«
    Firio neigte den Kopf, sein Gesicht blieb ausdruckslos.
    »Ich habe mich nie in einer solchen Situation befunden«, sagte er. »Aber ich denke, wenn jeder an sich selbst denkt, ist doch an alle gedacht, oder?« Seine Mundwinkel deuteten ein Lächeln an.
    »Dann könntest du dir also nicht vorstellen, aus Liebe zu jemandem etwas zu tun, das dir selbst schadet?«
    Firio zuckte die Achseln. »Wenn du eine ehrliche Antwort erwartest, dann muss ich verneinen. Wem wäre denn damit geholfen? Einer leidet also in jedem Fall.«
    Jil konnte sich keine Antwort auf diese Frage geben, doch das Gewicht

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