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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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es kein Tageslicht. Und eine Uhr besitze ich nicht. Und wenn ich je eine besessen hätte, dann hätte ich sie gegen Zigaretten eingetauscht.«
    Sie drehte sich um und reckte ihre steifen Glieder. Ray saß mit zersausten Haaren im Bett und rieb sich sie Augen.
    »In meiner Jacke ist eine Uhr. Vielleicht wärest du so nett, für mich nachzusehen«, brummte er. »Die Jacke liegt direkt neben dem Tisch.«
    Mit einem missmutigen Knurren streckte Jil sich nach dem schwarzen Ledermantel, den Ray lieblos neben dem Tisch hatte fallen lassen. In der Innentasche fand sie eine schwere goldene Taschenuhr. Jil hatte schon öfters Gegenstände dieser Art gestohlen, sie ließen sich wunderbar zu Geld machen. Sie klappte den Deckel auf.
    »Der kürzere Zeiger steht auf der Fünf. Ich schätze, das bedeutet, dass es fünf Uhr ist.« Sie steckte die Uhr zurück in die Jackentasche.
    »Fünf Uhr?« Rays Augen weiteten sich. »Etwa fünf Uhr nachmittags?!«
    Er konnte wirklich dumme Fragen stellen. »Da ich nicht davon ausgehe, dass ich seit zwanzig Stunden auf dem Tisch liege, halte ich das für wahrscheinlich«, sagte Jil trocken.
    Ray murmelte ein paar unverständliche Flüche, sprang aus dem Bett und nahm ein frisches Hemd aus seinem Schrank, das er sich eilig überzog. Er verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen und griff sich mit der rechten Hand an die Stirn.
    »Diese verdammten Kopfschmerzen!«, stieß er hervor. Zorn funkelte in seinen Augen. »Ich werde noch wahnsinnig deswegen. Ich habe zu lange geschlafen.«
    Jil gähnte herzhaft. »Ich gehe davon aus, dass die anderen Vartyden nicht nur weniger schlafen, sondern auch mehr essen als du.«
    »Du hörst dich schon an wie Lesward.« Ray bückte sich und schnürte seine Stiefel.
    »Weshalb quälst du dich selbst so sehr? Wenn du einmal eine ordentliche Portion Licht schlucken würdest, müsstest du auch nicht so viel schlafen.« Jil schmunzelte. Unwillkürlich musste sie sich vorstellen, wie jemand versuchte, Licht mit Löffeln zu essen.
    »Du weißt nicht, was du da redest. Dieses verfluchte Licht ist gefährlich.« Ray griff nach seiner Jacke und zog sie an. Dann zerrte er Jil am Arm aus ihrem Stuhl und ging zur Tür herüber. »Viele sind der Verlockung schon erlegen. Sieh dir Lesward an. Es verdirbt den Charakter. Was glaubst du, weshalb wir das Sedhiassa damals gebannt haben?« Ray schüttelte den Kopf. »Ach, was erzähle ich dir das. Hör auf, dumme Fragen zu stellen und komm mit. Kannst du laufen?«
    »Meinem Fuß geht es wieder gut, danke der Nachfrage.«
    Er öffnete die Tür, spähte auf den Gang und zog Jil dann hinter sich her. Mit schnellen Schritten führte er sie durch ein vernetztes Tunnelsystem, um mehrere Ecken herum, mal treppauf, mal treppab. Jil konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass er sie verwirren wollte. Doch da hatte er die Rechnung ohne Jil gemacht. Ihr Orientierungssinn war legendär, selbst in den dunklen Streckenabschnitten merkte sie ganz genau, wann sie die Richtung änderten.
    »Was ist mit diesem Lesward?«, fragte Jil. »Trägt er dieses Licht bei sich?« Jil hatte sich den Gedanken, das Licht für die Sedharym zu stehlen, längst aus dem Kopf geschlagen. Die Aufgabe war doch eine Nummer zu groß für sie. Dennoch war ihre Neugier einfach stärker als ihr Anstand.
    »Ja. Mehr weiß ich selbst nicht darüber. Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich mir nicht mehr die Mühe machen, es dir zu erklären. In wenigen Minuten wirst du alles vergessen haben und beschwingt nach Hause gehen. Der Ausgang, auf den wir uns zubewegen, liegt jenseits von Falcon’s Eye auf dem Festland. Die letzten beiden Tage werden in deiner Erinnerung nicht mehr existent sein.«
    Jil überlegte verzweifelt, wie sie sich aus dieser prekären Situation befreien und dabei noch ihr gedankliches  Eigentum bewahren konnte. Ray hielt ihren Oberarm mühelos mit einer seiner riesigen Hände umfasst, und es machte nicht den Anschein, dass er es sich anders überlegen würde. Für Jil gab es kein Entkommen. Zudem wusste sie um die übermenschlichen Fähigkeiten der Vartyden und Sedharym. Weglaufen versprach wenig Aussicht auf Erfolg. Wie hatte sie sich nur jemals einbilden können, dass es ein Kinderspiel werden würde, das Licht für die Sedharym zu stehlen? Hatte sie den Verstand verloren? Cryson hatte zu viel von ihr verlangt. Jil hasste Ray von ganzem Herzen, sie hasste diese brutalen Scheusale, die sich über anderes Leben stellten und Menschen wie Sedharym

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