Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
Jaulen entwich seiner Kehle.
»Was ist denn lustig daran, wenn jemand im Sterben liegt?« Jil rührte sich nach wie vor nicht von ihrem Platz auf der Bettkante. »Was ist dieser Lesward für ein Widerling? Er kann dich nicht auslachen, weil du Hilfe benötigst.« Jil war selbst nicht gerade die Nächstenliebe in Person, doch in ihr regten sich Beschützerinstinkte, die sie zuvor nicht gekannt hatte. Sie war sich selbst fremd geworden.
Ray runzelte die Stirn. »Weil ich genau genommen seine Hilfe nicht benötige, und das weiß auch Lesward. Ich müsste dich schicken, um ihn hierher zu holen, dabei könnte ich genauso gut dich benutzen. Welch Ironie.« In seinem gelb glühenden Blick flackerten Gier und Sehnsucht auf. Jil sah ihm an, dass er gegen das Verlangen ankämpfte, sich noch einmal an ihrer Lebensenergie zu bedienen. Er hatte sich selbst zu jahrzehntelanger Keuschheit verdammt, aber seine Triebe schienen in all den Jahren nicht abgestorben zu sein. Ein Hitzeschauer breitete sich in Jil aus, als sie Ray mit nacktem Oberkörper vor sich liegen sah. Sie wusste, dass sie sich insgeheim noch einmal nach diesem wohligen Gefühl sehnte, das die Energieübertragung für einen Menschen mit sich brachte. Es war doch nur ein gottverdammtes Trugbild! Es war nicht real. Jil biss sich auf die Unterlippe. Weshalb nur brachte sie sich durch ihre eigene Schwäche ständig in Schwierigkeiten? Ray hatte Recht, sie war verführbar. Sehr verführbar.
Jil verspürte den Wunsch, ihn zu berühren. Vorsichtig strich sie mit den Fingern über die Narben auf seiner Brust. Sie betonten seine wilde und aufbrausende Seite in einer erotischen Art und Weise. Sein Blick ließ keinen Zweifel daran, was für eine Art Liebhaber er sein würde. Er erschauerte unter ihren Fingern, obwohl sich Jil sicher war, dass das vernarbte Gewebe vollkommen gefühllos war.
»Warum tust du mir das an?«, fragte er mit gepresster Stimme. »Du bist das rücksichtsloseste und selbstsüchtigste Weib, das mir je begegnet ist.«
»Ich weiß«, flüsterte Jil mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie sah ein Wechselspiel der Empfindungen auf Rays Gesicht. Er schien zu wissen, dass seine Fassade aus Selbstbeherrschung zu bröckeln begann und er etwas zu tun in Begriff war, das er später bereuen würde.
Jils sonst so eiserner Wille sank ebenfalls in sich zusammen. Der Hass auf Ray und die Vartyden kochte noch immer heiß in ihr, doch schien er ihr ungezügeltes Verlangen nur noch mehr anzustacheln. Ray war anders als die halbwüchsigen Jünglinge, mit denen Jil bislang verkehrt hatte. Er war erwachsener, erfahrener und von einer temperamentvollen und hitzigen Aura umgeben, die Jil imponierte. Er war ein Mann, der sich ihr gegenüber behaupten konnte, und das konnten nur wenige. Sie waren zwei Hitzköpfe, so gleich und doch so grundverschieden in ihren Ansichten.
Jil wusste, dass sie etwas Unvernünftiges tat, doch sie wollte von diesen Gedanken nichts wissen und schob sie beiseite. Rays glühende Augen fixierten sie, sein Kiefer war fest zusammen gepresst. Er sah gut aus, viel besser als alle Männer, denen Jil bislang begegnet war. Ausgeprägte Muskeln umspannten seinen Körper. Die Narben auf Gesicht und Brust waren ein Teil von ihm, den sich Jil nicht wegdenken wollte. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie er vor seinem Unfall ausgesehen hatte. Er war perfekt so wie er war. Und zum Teufel mit ihrem schlechten Gewissen, er würde ihr doch ohnehin die Erinnerung an diese Schmach nehmen.
Jils Hände wanderten höher, den Hals entlang und dann durch seine schwarzen seidigen Haare. Ray sog geräuschvoll die Luft durch die Zähne. Ihre Blicke versanken kurz ineinander, bevor Ray sich mit seinen großen Händen in Jils Bluse verkrallte und sie ruckartig zu sich heran zog. Noch bevor Jil Luft holen konnte, hatte Ray ihr einen leidenschaftlichen Kuss aufgezwungen. Seine Zunge drängte sich in ihren Mund und erfüllte sie mit nasser Hitze. Keinen Lidschlag später fühlte Jil das kalte Kribbeln, das sie von ihrer Körpermitte aus durchfuhr und durch ihre Lippen auszutreten schien. Sie kannte dieses Gefühl nur allzu gut, doch diesmal war es intensiver als beim letzten Mal. Ray sog gierig an ihrer Energie, bis Jil beinahe schwarz vor Augen wurde. Es war ein unendlich erotisches Saugen. Die Kälte, die zurückblieb, wo einst ihre Lebensenergie gewesen war, lieferte sich ein Duell mit der wollüstigen Hitze, die Jil bis in jede Faser ihres Körpers erfüllte.
Die Lippen
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