Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
übrig, als mit der Wahrheit rauszurücken und die Verantwortung abzugeben.«
Ray hörte schon von weitem, dass sich ein Kevel näherte. Das Zischen und Rattern der Zahnräder hallte durch die Stollen. Sekunden später tauchte das Dampfrad vor ihm auf, Cole saß in dessen Mitte und warf Ray einen erstaunten Blick zu. Er verlangsamte das Tempo.
»Ray, da bist du ja! Lesward sucht dich.« Sein Blick glitt zu Jil hinüber, die mit neugierigen Augen das metallene Gefährt musterte.
Ray verfolgte Coles Blick. »Sag jetzt ein falsches Wort und ich vergesse mich«, zischte Ray.
»Schon gut, deine Weibergeschichten sind mir egal«, sagte Cole. Er war ein großer schlanker Mann mit feinen Gesichtszügen, die wenig männlich wirkten. Ray hatte nie ein inniges Verhältnis zu ihm gehabt.
»Wo ist Lesward denn? Ich muss ohnehin zu ihm«, sagte Ray.
»Er bespricht etwas mit Nola in seinem Arbeitszimmer.«
Ray nickte und ging weiter, ohne darauf zu achten, ob Jil ihm folgte. Nur Sekunden später vernahm er erneut das Knattern des Kevels, das sich wieder in Bewegung gesetzt hatte.
Jil zerrte am Ärmel seines Mantels. »Ihr wollt mich doch wohl nicht auf ewig hier unten versauern lassen, oder?« In ihrer Stimme lag Zorn, aber auch ein seltsamer Anflug von Hoffnung. Für einen kurzen Moment schoss Ray der Gedanke durch den Kopf, dass es ihre Absicht gewesen war, dass er sie wieder mit hierher nahm. Sie war eine bettelarme Taschendiebin. Etwas Besseres hätte ihr nicht passieren können. Oder verfolgte sie noch andere Ziele?
»Lesward wird entscheiden, was wir mit dir machen.«
»Werdet ihr mich töten?«
Ray schnaubte. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Trotzdem würde ich mich an deiner Stelle nicht darauf verlassen.«
Ray wusste genau, dass Lesward sie niemals töten lassen würde, zu übermächtig waren seine Prinzipien, nach denen er handelte. Die Vartyden schützen die Menschheit vor den Parasiten der Unterwelt, niemand sonst kämpfte so verbissen für dieses Ziel wie Lesward. Trotzdem genoss Ray es, Jil noch ein wenig schmoren zu lassen. Er verspürte den Drang, sie zu bestrafen.
Sie erreichten die Tür zu Leswards Arbeitszimmer. Ray blieb einen Moment lang davor stehen und atmete tief ein. Es kostete ihn Überwindung anzuklopfen. Nur einen Augenblick später betätigte jemand von innen den Türmechanismus.
Das Licht im Inneren des Zimmers war gedämpft, nur eine Kerze auf dem Schreibtisch brannte und warf groteske Schatten auf die zahlreichen Bücherregale an den Wänden. Ray ging voraus, Jil blieb hinter ihm. Lesward saß auf einem gepolsterten Sessel, die Füße auf einen kleinen Hocker gelegt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Nola hatte ihnen die Tür geöffnet. Sie trug einen hautengen Trainingsanzug, der ihre weiblichen Kurven betonte. Ihre Augen weiteten sich, als sie Ray sah, doch es war Lesward, der als erster sprach.
»Ray, du bist zurück. Wir hatten das Schlimmste befürchtet.« Er stand vom Sessel auf und kam auf Ray zu. Als er ihn herzlich umarmte, schien sein Blick auf Jil zu fallen, die hinter Ray stand, denn er hielt in der Bewegung inne. Ein heißer Schwall Blut schoss Ray in den Körper. Er kannte Lesward gut genug, um zu wissen, dass er sich einen bissigen Kommentar nicht verkneifen würde.
»Wen hast du uns denn da mitgebracht?«, fragte Lesward mit einem spöttischen Unterton in der Stimme. »Wirst du nun endlich vernünftig?«
Wenn es nicht Lesward gewesen wäre, der ihm gegenüber stand, hätte Ray nicht gezögert, ihm das hämische Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Jil war schneller als er.
»Vernünftig? Ich würde eher sagen, dass seine Unvernunft ihm diese schöne Scheiße eingebrockt hat«, sagte sie. Ray drehte sich zu Jil um und warf ihr einen bitterbösen Blick zu. Konnte dieses Weib nicht einfach den Mund halten? Jil schien kein bisschen verängstigt zu sein, sie stemmte die Hände in die Hüften und musterte ihre Umgebung.
»Oha, ein ganz kesses Exemplar«, sagte Lesward mit gerunzelter Stirn. »Nun, und ich habe immer gedacht, Ray steht mehr auf die unterwürfigen Weiber. Wie man sich täuschen kann…«
Rays Augen begannen vor Wut erneut zu glühen, er konnte seinen Ärger nicht verheimlichen.
»Ihr solltet endlich damit aufhören, euch gegenseitig zu provozieren«, mischte Nola sich ein. »Verstimmungen innerhalb des Ordens können wir nicht gebrauchen. Damit tun wir bloß unseren Feinden einen Gefallen.« Sie setzte
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