Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
sich auf einen Stuhl vor dem Tisch. Ray setzte sich neben sie, Jil lehnte mit verschränkten Armen gegen eine Wand und starrte mit verengten Augen auf den Boden.
»Was will uns die Kleine damit sagen?« Lesward ließ sich zurück auf den Sessel sinken und deutete mit dem Kinn in Jils Richtung. »Hast du wieder Mist verzapft?«
Ray kostete es eine große Menge Selbstbeherrschung, ihm sachlich und ruhig zu antworten. »Die Kleine heißt Jil. Sie ist der Grund, weshalb ich noch nicht kalt bin. Sie hat mir im Stadtpark das Leben gerettet.«
Lesward blinzelte ein paar Mal, als müsse er darüber nachdenken, ob Ray ihm ein Märchen erzählte. »Ray, du enttäuschst mich.« Lesward seufzte und schüttelte leicht den Kopf. »Dir hätte ich zugetraut, dass du eher sterben würdest, als die Hilfe eines Menschen anzunehmen.«
Ray presste die Zähne aufeinander, bis sein Kiefer schmerzte. Er sparte sich einen Kommentar.
»Wie dem auch sei, ich bin froh, dass du wieder hier bist. Wir können auf dich nicht verzichten.« Leswards Blick fiel erneut auf Jil. »Aber erzähl mir nicht, dass du sie nur als Mittel zum Zweck benutzt hast. Ihr Geruch haftet an deiner Haut.« Er zwinkerte, aber Ray fühlte sich provoziert. Er krallte sich mit den Händen an der Stuhllehne fest, bis sich seine Fingerknöchel weiß färbten.
»Du weißt genau, dass ich mir nie eine Gefährtin nehmen werde«, presste Ray hervor.
Lesward schnaubte. »Das verlangt auch niemand von dir. Aber Sex ist doch nicht gleichzusetzen mit einem Bund fürs Leben. Oder bist du etwa doch so romantisch? Ich mische mich nicht in deine Entscheidungen ein, aber ich finde es lächerlich, dass du deiner Menschenmutter hinterher trauerst. Du erinnerst dich nicht einmal mehr an sie. Das Gesetz verlangte nun einmal, dass man dich von ihr trennte und hierher brachte. Dein Vater hat an das Fortbestehen unseres Ordens gedacht. Wenn jemand Ehre und Anstand im Leib gehabt hatte, dann er. Nimm dir ein Beispiel an ihm. Uns stehen doch alle Türen offen, wir haben das Licht, du kannst Kinder zeugen. Die Sedharym können das nicht mehr.« Lesward wurde es einfach nicht leid, in den alten Wunden zu stochern. Immer wieder stieß er Ray mit der Nase darauf. Ray hatte gedacht, dass es ihm nach all den Jahren nichts mehr ausmachen würde, aber Scham und Wut ergriffen erneut Besitz von ihm. Ausgerechnet vor Jil und Nola musste er dieses Thema nun wieder anschneiden.
»Ich lebe nach meinen eigenen Prinzipien«, sagte Ray sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren.
Lesward fixierte ihn mit seinen stechend grünen Augen. »Ja, das weiß ich. Und deine eigenen Prinzipien bringen dich immer wieder in Schwierigkeiten. Wir sind eine Gemeinschaft, vergiss das bitte nicht. Du hingegen versuchst dich als Einzelkämpfer. Wärest du damals nicht so starrköpfig gewesen, würde dein Vater noch leben.«
Ray hielt nun nichts mehr auf seinem Stuhl. Er sprang auf, um Lesward das Gesicht zu zerfetzen, aber Nola hielt ihn zurück. Sie war erstaunlich stark für eine Frau.
»Lesward, halt doch einfach mal den Mund«, zischte sie. »Vielleicht können wir jetzt sachlich klären, was Ray uns berichten wollte.«
»Entschuldigung«, sagte Lesward, aber es klang wenig überzeugend. »Setz dich wieder hin und erzähle mir endlich, weshalb du Jil mit hierher gebracht hast.«
Ray ließ sich auf den Stuhl zurück fallen. Sein Blick irrte zur Seite. Jil stand noch immer in der Zimmerecke und beäugte die Szene mit kritischen Blicken.
»Ich wollte ihr das Gedächtnis löschen, aber es funktionierte nicht«, sagte Ray geradeheraus. Er war froh, nun endlich das Thema wechseln zu können.
Lesward zog eine Augenbraue nach oben. »Was meinst du damit: Es funktionierte nicht? Hast du es verlernt?«
»Ich bin nicht dämlich«, knurrte Ray. »Der Zauber zeigt bei ihr keine Wirkung. Sie kann sich nach wie vor an alles erinnern. Sie hat mir erzählt, sie sei schon einmal von den Sedharym aufgelesen worden. Erst jetzt ist mir klar geworden, weshalb sie sich noch daran erinnern konnte.«
Lesward musterte Jil erneut von oben bis unten. Sekunden verstrichen, ehe er einen gedehnten Seufzer ausstieß. »Das ist sehr beunruhigend.« Seine Augen verengten sich. Jil begegnete seinem Blick und hielt ihm stand.
»Wer sind deine Eltern?«, fragte Lesward an sie gewandt. Skepsis lag in seiner Stimme.
»Was soll das mit dem Thema zu tun haben?« Jil presste ihre Lippen aufeinander, bis sie nur noch ein schmaler Strich waren.
»Das
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