Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
sie jemals lebend das Quartier der Vartyden verließ, würde sie deren Geheimnis mit ins Grab nehmen, das schwor sie sich hoch und heilig.
»Ihr Weiber haltet doch alle zusammen«, spie Lesward Nola entgegen. »Macht doch, was ihr wollt. Wenn es Probleme geben sollte, mache ich dich höchstpersönlich dafür verantwortlich. In spätestens einer Stunde ist sie verschwunden.« Er reckte Nola drohend seinen Zeigefinger entgegen und stand auf. Nur eine Sekunde später hatte er den Raum wutschnaubend verlassen und die metallene Tür scheppernd hinter sich zugeschlagen.
Nola schüttelte den Kopf. Dann wandte sie sich an Jil. »Lesward ist ein furchtbarer Kerl. Wenn er nicht ein ausgezeichneter Stratege wäre, eignete er sich kaum als Anführer unserer Bande. Und von Frauen hält er ohnehin nicht viel.«
»Danke, dass du mein Leben gerettet hast«, sagte Jil. Es war selten, dass sie sich derart kleinlaut gab.
Nola zuckte die Achseln. »Ich tue nur, was ich für richtig halte.«
»Lesward doch auch.«
»Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Jahrhunderte ihn eher dümmer als weiser gemacht haben. Oder sagen wir besser: wahnsinniger.« Nola musterte Jil von oben bis unten. »Wie siehst du überhaupt aus? Barfuß im Bademantel und mit nassen Haaren? Was zum Henker hat sich da zwischen euch abgespielt?«
Jil ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken. Ihre Füße waren eiskalt. Zum ersten Mal seit dem Verlassen der Badehalle bemerkte sie, dass sie fror. »Er hat mich abgefangen, als ich ein Bad genommen habe.«
»Und weshalb sein plötzlicher Sinneswandel? Er wollte dich doch hier behalten.«
Jil war nicht sicher, ob sie Nola die ganze Wahrheit anvertrauen konnte, deshalb entschied sie sich für einen Kompromiss. »Er beschuldigt mich, eine Spionin der Sedharym zu sein, dabei habe ich keinerlei Absichten, eurem Orden zu schaden.«
Die Absicht hatte ich zwar sehr wohl, aber das muss sie nicht wissen.
»Wie dem auch sei, du hast Lesward gehört. Du musst gehen. Ich bringe dich zum Ausgang.«
Jil deutete auf ihren Bademantel. »In diesem Aufzug?!«
Nola lachte. »Nein, ich bringe dir noch schnell etwas anderes. Hoffentlich kehrt dann endlich wieder Ruhe ein in Varyen.«
Nola verließ den Raum und sperrte hinter sich ab. Jil atmete einmal tief durch. Was würde sie tun, wenn sie wieder zurück an der Oberfläche war? Würden die Sedharym sie tatsächlich töten? Jil beschlich das ungute Gefühl, das Lesward Recht behalten würde und sich ihr Tod nur verzögerte. Jil sehnte sich nach Ray. Niemals hätte sie geglaubt, dass es tatsächlich einmal so weit kommen würde. Vielleicht würde er nach ihr suchen?
Und mich beschützen? Wie tief bin ich gesunken, dass ich mich von einem Mann beschützen lasse?
Jil wusste nicht, ob sie den Gedanken amüsant oder erschreckend finden sollte.
Die Tür öffnete sich erneut. Nola erschien mit einem hellblauen Hemd, ein paar einfachen Lederschuhen und einer dunklen Hose auf der Türschwelle.
»Das sind alte Sachen von mir. Ich hoffe sie passen.« Sie legte die Kleidungsstücke auf den Sessel. Dann stellte sie sich mit dem Gesicht zur Wand neben die Tür. Sie besaß sogar genug Anstand, Jil nicht beim Ankleiden zuzusehen. Lesward konnte sich ein Beispiel an ihr nehmen.
»Zieh dich schnell an, wir brechen sofort auf«, sagte Nola.
Jil griff wortlos nach der Kleidung und schlüpfte hinein. Die Hosenbeine und die Ärmel waren zu lang, aber die Schuhe passten ihr genau. Als sie die Schleife band, fiel ihr Blick erneut auf die blauen Steinchen auf dem Schreibtisch. Sie drehte sich um. Nola stand noch immer von ihr abgewandt neben der Tür. Blitzschnell griff Jil nach den Edelsteinen und steckte sie in die Hosentasche. Vielleicht konnte sie sie verkaufen. Sie würde sich daran gewöhnen müssen, von nun an wieder ein Leben als Diebin zu führen. Vorausgesetzt, Die Sedharym brachten sie nicht vorher um.
»Ich bin fertig«, sagte Jil.
Nola drehte sich um und lächelte zufrieden. »Jedenfalls ist es besser als ein Bademantel. Damit hätten sie dich sicher ganz schnell in die Nervenheilanstalt eingewiesen.«
Jil rang sich ein Lächeln ab, obwohl ihr nicht danach zumute war.
»Lass uns gehen.« Nola klang bestimmt, aber es lag ein Hauch von Schwermut in ihrer Stimme. »Ich fühle mich beinahe dazu verpflichtet, mich für Lesward zu entschuldigen«, fügte sie an. »Aber du musst verstehen, dass ihm die Sicherheit des Ordens am Herzen liegt.«
»Du musst dich für nichts
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