Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
es roch nach Feuer und Sprengstoff. Die Glühlampen an den Decken flackerten, einige brannten überhaupt nicht mehr. Er kam gewöhnlich mit Dunkelheit gut zurecht, aber die ständig wechselnden Lichtverhältnisse irritierten ihn. Seine Augen brannten und tränten. Zum Glück kannte er den Weg in und auswendig. Als er an die Kreuzung gelangte, wo der Gang in die Hauptstraße mündete, wäre er beinahe mit dem Kevel zusammengestoßen, das mit hoher Geschwindigkeit Richtung Verbindungsweg nach Sedhia unterwegs war.
»Ray! Ich dachte, du hättest dich aus dem Staub gemacht«, sagte Cole, der auf der Achse des Dampfrades saß. Er bremste das Gefährt ab und drehte sich über die Schulter hinweg zu Ray um.
»Aus dem Staub gemacht? Was geht hier vor?« Nervosität und zerreißende Ungewissheit nagten an Ray.
»Die Sedharym haben bemerkt, dass der Schutzwall gefallen ist. Wir kämpfen an mehreren Fronten. Wir können jede Hand gebrauchen. Komm her.« Mit einer Kopfbewegung wies er Ray an, sich neben ihn auf das Kevel zu setzten.
»Ich hatte gehofft, niemand würde die gefallene Barriere bemerken, ehe Kade das Sedhiassa zurückgebracht hat. Er hat es doch zurückgebracht, oder? Lesward hat ihn vor seinem Tod losgeschickt, um Jil…« Er schluckte. Um sie zu töten. Ray brachte es nicht übers Herz, diese Worte auszusprechen. Er konnte noch immer nicht begreifen, wie schwerwiegend der Verrat war, den Jil begangen hatte. Die Worte fühlten sich in seinem Mund fremd und unwirklich an, als stammten sie nicht von ihm.
»…um Jil davon abzuhalten, zu den Sedharym zurückzukehren«, vervollständigte er seinen Satz. »Wenn sie das Licht bei sich getragen hätte, hätte Kade es ihr abgenommen und zurückgebracht.«
Ray griff nach den Metallverstrebungen, die sternförmig von der Achse des Kevels zum äußeren Laufrad führten. Cole rutschte auf die Seite, um ihm Platz auf der Sitzfläche zu machen. Ray setzte sich neben ihn.
»Kade ist bislang nicht zurückgekehrt«, sagte Cole. »Wir gehen alle vom Schlimmsten aus. Vermutlich ist es ihr doch gelungen, nach Sedhia zurückzukehren und das Licht dort abzuliefern. Tatsache ist, dass das Licht weg ist und dass wir angegriffen werden. Alles andere ist jetzt egal.«
Cole betätigte den Gashebel. Mit Volldampf rasten sie durch das Labyrinth, die Geräusche eines erbitterten Kampfes wurden immer lauter, ebenso der Geruch nach Feuer. Plötzlich tauchte ein anderes Gefährt aus einem der Seitengänge auf. Es war ein Latri, Ray hatte schon davon gehört. In Sedhia benutzte man diese Fahrzeuge, die den Automobilen der Menschen sehr ähnlich sahen.
»Sie haben unsere Verteidigungslinie damit durchbrochen!«, stieß Cole hervor. Keinen Lidschlag später stoben Funken durch die Luft, denn das Latri hatte ihr Kevel seitlich gerammt. Das Dampfrad neigte sich gefährlich zur Seite.
»Spring ab!«, schrie Cole. Gerade noch rechtzeitig, bevor das Gefährt mit einem ohrenbetäubenden Scheppern zu Boden fiel, sprang Ray von der Sitzfläche und zog seine Pistole. Ein Schwall kochend heißes Wasser spritze aus dem Kevel heraus, es zischte und dampfte. Auch das Latri verlor Wasser. Eine riesige Delle in seiner Motorhaube zeugte von der Wucht des Aufpralls. Zwei Männer saßen in dem Wagen, auch sie sprangen nun heraus und zogen ihre Waffen, einer von ihnen war mit einem glühenden Schwert bewaffnet, der andere zog eine Pistole. Während Cole dem Schwertträger innerhalb von Sekunden den Garaus machte, weil er ihn von hinten niederstreckte, war sein Kollege durchaus gewitzter und vorsichtiger. Noch bevor Ray seine Pistole gegen ihn richten konnte, hatte sein Gegner ihn mit einem heftigen Tritt in den Bauch zum Straucheln gebracht. Ray stolperte rückwärts und stieß mit dem Rücken gegen das Laufrad des Kevels, das halb auf der Seite lag und gegen eine Wand lehnte. Heißer Wasserdampf schlug Ray ins Gesicht, er schrie vor Schmerz auf und ließ seine Waffe fallen. Was für ein Narr er doch war! Ray rechnete nun fest damit, den Tod zu finden, denn obwohl Cole bereits auf den Sedhar geschossen hatte, war dieser trotz seiner tödlichen Verletzung noch in der Lage, die Waffe gegen Ray zu heben. In seinem Todeskampf zielte er auf Ray und betätigte den Abzug. Ray schloss die Augen. Er wollte dem Bastard nicht ins Gesicht sehen müssen, wenn sie beide Seite an Seite zu Boden sanken und starben.
Nichts geschah. Nach quälenden Sekunden öffnete Ray endlich die Augen. Der tote Sedhar lag vor ihm, die
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