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Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Titel: Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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damit leben musste, einen hinterhältigen Mörder geliebt zu haben oder ob es eine Chance für sie gab, inneren Frieden zu finden.
    Ray hielt noch immer ihren Unterarm, während sie über ihm kniete. »Weil ich wieder einmal Opfer meiner widerwärtigen Schwächen geworden bin«, sagte Ray. »Rachedurst ist eine schäbige Eigenschaft.« Er verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. Sein Griff um ihren Unterarm löste sich. »Ich habe sie nicht einmal deshalb getötet, weil sie das Sedhiassa genommen hat«, fuhr er mit einem bitteren Grinsen fort. »Ich wusste gar nicht, dass sie das Licht bei sich hatte. Nein, ich habe aus niederen Beweggründen gehandelt. Ich wollte Lesward rächen. Und Lesward hatte Unrecht, was dich betrifft. Dich trifft überhaupt keine Schuld. Du konntest nicht wissen, wer in diesem Spiel die Fäden gezogen hat.«
    Jil wusste nicht, ob er eine Antwort erwartete, deshalb schwieg sie. Sie konnte ihrer Stimme ohnehin nicht mehr trauen, denn ein erneutes Schluchzen erfasste sie.
    Ray schloss die Augen, seine Atmung flachte sich ab. Jil war sich sicher, dass er sterben würde. Sie konnte es verhindern… Aber wollte sie das? Wollte sie jemandem das Leben retten, der aus einer kindischen Laune heraus ihrer Schwester so viel Leid zugefügt hatte? Niemals zuvor hatte Jil sich derart zerrissen gefühlt. Andererseits wäre sie keinen Deut besser als er, wenn sie ihn aus Rache hier sterben ließ. Sie umfasste mit beiden Händen sein Gesicht. Seine Narben fühlten sich rau und hart an wie ein altes Stück Baumrinde. Es hatte sie nie gestört. Sie wäre bereit gewesen, ihn so zu lieben, wie er war. Und er war unbeschreiblich schön mit all seinen Makeln und Fehlern.
    Ray öffnete noch einmal die Augen. Jil konnte die Frage in seinem Blick lesen.
    »Nimm meine Energie«, sagte sie mit gebrochener Stimme. »Ich möchte nicht, dass du stirbst.«
    Eine Träne löste sich aus seinem Augenwinkel und lief seine Schläfe hinab bis in sein Ohr. Jil erwartete den kalten Schauer, der sie immer packte, wenn ein Sedhar an ihren Energiereserven gesogen hatte, doch nichts dergleichen geschah. Ray atmete jetzt nur noch sehr unregelmäßig.
    »Du blöder Bastard, jetzt nimm es!« Jil spie ihm die Worte förmlich entgegen.
    Der Regen ließ nach und setzte nur einen Atemzug später gänzlich aus. Die Wolkendecke riss auf und offenbarte einen wunderschönen Morgen. Ray rührte sich nicht, auch nicht, als Jil ihn in einem Anflug von Verzweiflung an den Schultern packte und rüttelte und schließlich ihre Wange gegen seine drückte. Er konnte oder wollte ihre Energie nicht annehmen. Jil stieß einen wütenden Schrei aus, er hallte von den Wänden der wenigen verbliebenen Häuser wider.
    »Du bist so töricht, so dumm, wenn du nicht leben willst. Du kannst diese Welt nicht als Feigling verlassen.« Jils Worte waren kaum verständlich und gingen in einem erneuten Weinkrampf unter. Sie warf sich über ihn und versuchte, das Sonnenlicht mit ihrem Körper von ihm fern zu halten, doch es war nur eine schwache Hilfe.
    Etwas Hartes drückte unbequem gegen ihren Oberschenkel und als Jil sich in die Hosentasche griff, bekamen ihre Finger den kleinen Ohrring zu fassen, den sie ihrer Schwester abgenommen hatte. Als das Sonnenlicht auf den roten Stein fiel, schien dieser es nicht zu reflektieren, sondern geradezu aufzusaugen, um nur einen Lidschlag später ein eigenes Licht auszusenden. Er glühte wie ein Stück Kohle im Feuer. Jils Blick irrte zwischen dem Schmuckstück und Rays leblosem Körper hin und her. Sie wusste, dass es nur noch einen einzigen Weg gab, ihn zu retten, wenn es nicht sogar dafür schon zu spät war. Sie schwang sich kurzerhand von seinem Körper herunter, kniete sich neben seinen Kopf und löste mit zittrigen Händen den Steckverschluss des Ohrrings. Vorsichtig drehte sie Rays Kopf auf die Seite und nahm sein unvernarbtes Ohr zwischen ihre Finger. Die Tränen, die noch immer unkontrolliert aus ihren Augen quollen, behinderten ihre Sicht. Sie schniefte und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht.
    Jil atmete noch einmal tief ein und stach dann mit einer ruckartigen Bewegung den Stecker durch Rays Ohrläppchen. Obwohl er die Augen weiterhin geschlossen hielt, glaubte Jil, dass ein leichtes Zucken durch seinen Körper geschossen war.
    Für einige quälend lange Sekunden geschah überhaupt nichts. Jil hockte neben Ray und beobachtete den kleinen Blutstropfen, der aus der Wunde gedrungen war und sich seinen Weg

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