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Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Titel: Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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gebrochenen Zaubers, der nach und nach jedes Gebäude von Haven im Nichts verschwinden ließ. Es waren keine Menschen mehr hier, tausende Einwohner waren wie vom Erdboden verschluckt, hatten fluchtartig die Stadt verlassen. Vermutlich hatte man sie längst in eine Nervenheilanstalt gebracht oder das Vergessen hatte mit dem Überschreiten der magischen Grenze eingesetzt. Wenn es stimmte, dass die Stadt für fremde Augen niemals sichtbar gewesen war, dann gab es im britischen Empire nun schlagartig eine Menge Einwohner mehr, die man sicherlich der illegalen Einwanderung beschuldigen würde. Vermutlich beschäftigte sich schon jetzt ein Sonderkommando von Scotland Yard mit dem Fall.
    Eine jähe Vorahnung ließ Jil den Blick heben. Es war, als hätte ihr jemand mit einer unsichtbaren Hand auf die Schulter getippt und sie dazu bewogen, den Kopf zu drehen. Für einen kurzen Moment hatten sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufgestellt. Jils Blick fiel auf etwas, das sich am Rand der Straße auf dem Gehsteigrand befand. Es war Ray. Er kauerte zusammengekrümmt und mit angezogenen Knien auf dem regennassen Gestein. Jil durchfuhr ein Schreck. Sie hatte gehofft, ihm auf ihrem Weg aus der Stadt nicht mehr zu begegnen. Sie befahl sich, ihn zu ignorieren und nicht zu beachten, doch sie musste sich eingestehen, dass Gefühle etwas Unkontrollierbares waren. Sie konnte sich nicht befehlen, wütend auf ihn zu sein. Sie stand einfach nur da und starrte ihn mit leeren Blicken an. Er schien ihre Anwesenheit ebenfalls gespürt zu haben, denn er hob den Kopf und sah ihr direkt in die Augen. Sein Gesicht war entspannt, strahlte aber dennoch eine derart große Verzweiflung aus, dass es Jil einen Stich in die Brust versetzte. Seine Haut war aschfahl, fast so grau wie der regnerische Morgenhimmel. Ein paar Sekunden lang sahen sie sich an, dann legte Ray den Kopf zurück auf seine auf den Knien ruhenden verschränkten Arme. Er kippte nach links, erst langsam und kaum wahrnehmbar, dann immer schneller, bis er auf der Seite lag. Sein Kopf schlug hart auf den Asphalt auf. Reflexartig sprang Jil zu ihm hin. Sie wusste nicht, weshalb sie ihn rüttelte und fragte, ob alles in Ordnung sei, hätte sie doch allen Grund gehabt, ihn seinem Schicksal zu überlassen. Sie hatte ihre Schwester sterben sehen, vielleicht würde sie es nicht ertragen, wenn noch ein weiteres Leben auf ihrem Gewissen lastete, selbst wenn er es verdient hätte.
    Ray öffnete die Augen einen Spalt breit und schüttelte zaghaft den Kopf. Er unternahm keinerlei Anstrengung, seine unbequeme Liegeposition zu ändern. Jil stemmte sich mit aller Gewalt gegen seine Schulter und drehte ihn auf den Rücken. Ray kniff die Augen zusammen und stieß ein schmerzerfülltes Stöhnen aus.
    »Die Sonne«, jammerte er.
    Jils vernebelter Verstand benötigte einige Sekunden, um zu begreifen. Ray war schwach, die Sonne entzog ihm zusätzliche Energie. Jil griff unter seine Achseln und zog mit aller Kraft an seinem Körper, doch er war zu schwer. Sie musste ihn in eine dunkle Ecke bringen, aber allein war sie nicht dazu in der Lage.
    »Lass mich«, fauchte Ray sie unverhofft harsch an.
    »Ich kann sehr wohl noch selbst entscheiden, was ich zu tun und zu lassen habe«, sagte Jil im Tonfall einer tadelnden Mutter.
    Ray griff nach ihrem Unterarm und hielt ihn fest. Trotz seiner Schwäche konnte er noch erstaunlich fest zupacken. Er suchte ihren Blick, Tränen schimmerten in seinen Augen. Oder waren es bloß die Regentropfen, die auf sein Gesicht fielen? Jil zwang sich, ihn anzusehen. Sein grotesk vernarbtes Gesicht verzog sich zu einer gleichwohl wütenden wie verzweifelten Grimasse.
    »Deine Schwester hat doch noch gelebt, oder? Ich habe alles gehört«, sagte er. Er öffnete den Mund und schnappte nach Luft, dann hustete er. Das Sprechen schien ihm schwer zu fallen. Jil brachte nichts als ein Nicken zustande.
    »Sie hatte Recht, ich habe sie getötet.« Ray bemühte sich, gleichgültig zu klingen, doch Jil nahm eine hauchfeine Nuance von Betroffenheit wahr. Es tat weh, ihn diese Worte sprechen zu hören. Sie erinnerten Jil daran, dass es ihre Pflicht war, zu ihrer Schwester zu stehen, sich abzuwenden und Ray seinem Schicksal zu überlassen. Das war sie Dana schuldig. Weshalb quälte er sie so sehr, indem er Salz in diese Wunde streute?
    »Weshalb?«, hauchte Jil. Erneut ergossen sich Tränen über ihr Gesicht. Die Antwort zu dieser gewichtigen Frage würde entscheiden, ob Jil bis an ihr Lebensende

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