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Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Titel: Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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warm an. Der Gedanke, ihn nie wiederzusehen, schmerzte tief. Doch Jil wusste, dass es die einzig vernünftige Lösung war. Ihre Liebe war gescheitert, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte. Jil konnte in seinem Gesicht ablesen, dass er es ebenso bedauerte.
    »Mir tut es von Herzen leid, was geschehen ist«, sagte er. »Ich wünschte, ich könnte alles ungeschehen machen.« Er griff nach Jils Gesicht und strich ihr mit dem Daumen eine Träne von der Wange. »Denn ich habe wirklich ernst gemeint, was ich damals zu dir gesagt habe. Doch mein Weg ist mit Leichen gepflastert. Ich hätte nie schwach werden dürfen.« Seine stechend blauen Augen leuchteten in der Morgensonne noch intensiver. Jil wurde sich in diesem Moment darüber bewusst, dass sie ihn bei Tageslicht noch nie betrachtet hatte.
    Er erhob sich mit einem leisen Stöhnen, Jil tat es ihm nach. Er deutete eine Bewegung an, als wolle er sie umarmen, zog die Arme dann jedoch zurück.
    »Nun, dann wünsche ich dir alles Gute«, sagte er. »Und solltest du mir je vergeben können: Du bist bei den Vartyden jederzeit willkommen, denn ich habe dir längst verziehen.«
    Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging die Straße hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen. Jil sah ihm nach, bis er hinter einer Biegung verschwunden war.

Epilog
     
    Der Pier im Battersea Park war genau der richtige Ort für ein Verbrechen dieser Art. Außer einem kleinen unbeleuchteten Fußweg, der zu beiden Seiten von hohen Eichen und Gebüschen gesäumt wurde und deshalb vom Pier aus nicht einsehbar war, gab es hier keine Straßen oder sonstige Orte, an denen sich um diese Uhrzeit noch Menschen aufhielten. Im Sommer tummelten sich am Tage viele Touristen im Battersea Park. Sie saßen auf ihren Decken oder auf den am Ufer der Themse aufgestellten Bänken, genossen die wärmenden Sonnenstrahlen oder beobachteten die vorüberziehenden Schiffe. Jetzt, mitten im Winter und zu nachtschlafender Stunde, wirkte dieser Ort wie der Schauplatz aus einem Geisterroman. Lediglich die fernen Lichter des Chelsea Hospitals auf der anderen Seite des Flusses zeugten davon, dass sie sich noch immer in einer pulsierenden Großstadt befanden. In wenigen Minuten würden sie wieder in das Londonder Nachtleben eintauchen, sich unter das schlaflose Volk mischen und zurückkehren in ihre luxuriöse Wohnung in der Victoria Street, nahe dem St. James Park. Niemand würde je erfahren, welche Szenen sich im Battersea Park in dieser Nacht abgespielt hatten.
    »Bist du sicher, dass ihn hier niemand finden wird?« Jil zog sich die Jacke, die Ray ihr geliehen hatte, enger um die Schultern. Nachts war es bitterkalt, ihr Atem gefror klirrend vor ihrem Gesicht. Der kurze Rock und das aufreizende Oberteil, in das sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgabe als Lockvogel gequetscht hatte, wärmten nicht im Geringsten.
    Ray beobachtete die letzten Luftblasen, die von der Leiche aufstiegen. Er sog die kalte Londonder Nachtluft tief in seine Lungen und stieß sie geräuschvoll wieder aus. »Ich bin mir sicher, dass ihn niemand findet. Und selbst wenn, wer würde darauf kommen, dass wir es waren, die sein Leben beendet haben?« Er legte einen Arm um Jils Schultern.
    »Vielleicht hat uns doch jemand gesehen. Oder sie finden Fingerabdrücke. Die Männer von Scotland Yard sind nicht dumm.«
    Ray verzog sein vernarbtes Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Ein Sedhar hat kein Muster auf den Fingerkuppen. Außerdem hätten uns lediglich Menschen sehen können, die selbst genug Dreck am Stecken haben. Das Rotlichtviertel ist voll von Verbrechern.«
    Jil nickte. »Lass uns nach Hause gehen. Ich habe die Nase voll davon, den Lockvogel zu spielen. Außerdem fühle ich mich in diesen Klamotten nicht wohl.« Sie warf Ray einen Blick von der Seite zu. »Was zahlt die Lady Gladcott für den Auftrag?«
    Ray setzte sich in Bewegung und huschte leise wie ein Schatten durch das Gestrüpp, das den Pier vom Fußweg trennte. Jil setzte ihm nach.
    »Ich denke, das Leben ihrer Tochter wird ihr Einiges wert sein, mach dir darüber keine Gedanken«, sagte Ray. »Du wirst für ein paar Tage nicht stehlen müssen.«
    Jil stemmte die Hände in die Hüften. »Ich bin schon lange nicht mehr stehlen gegangen. Du tust gerade so, als hätten wir es nötig.«
    Ray bot ihr seinen Arm an, Jil hakte sich bei ihm ein. Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort bis zur Victoria Bridge, um den Fluss zu überqueren.
    Ray bedachte sie mit einem verschmitzten Seitenblick. »Du

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