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Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Titel: Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuehnemann Nadine
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erfasste den Vorgarten, die Grashalme wiegten sich raschelnd im Wind. Erste Regentropfen fielen auf Jils Kopf. Sie spürte, wie Dana ihre Hand schwach drückte, bevor sich ihr Brustkorb das letzte Mal senkte. Der Regen wurde stärker und vermischte sich mit den Tränen auf Jils Gesicht. Sie blieb bewegungslos sitzen und sah auf ihre tote Schwester hinab. Es konnte einfach nicht wahr sein. Es musste ein Alptraum sein. Ihre gesamte Familie war ausgelöscht, und gerade als sie dachte, wieder Zugang zu Ray gefunden zu haben, musste sie erfahren, dass er ihre Schwester getötet hatte. Aber warum nur? Diese Frage schwoll in Jils Kopf zu einem monotonen Singsang an, während sie auf das blasse Gesicht von Dana hinabstarrte, deren Kopf noch immer auf ihrem Schoß gebettet war. Der Wind wirbelte Jils schwarzes Haar um ihren Kopf. Die Strähnen blieben an ihrem nassen Gesicht kleben. Sie schluchzte, bis sie beinahe keine Luft mehr bekam und husten musste. Sie hätte gerne länger mit ihrer Schwester geredet, hätte gerne alles erfahren, was sie durchleiden musste. Stattdessen hatte sie ihr nur zwei bedeutungslose Fragen gestellt. Sie würde niemals darüber hinwegkommen. Jil schloss die Augen und ergab sich dem Schmerz, dieser unendlichen Pein darüber, dass mehrere Leben auf ihrem Gewissen lasteten. Wenn sie nicht so selbstsüchtig gewesen wäre und Cryson seine Lügengeschichten niemals abgekauft hätte… Haven wäre noch immer eine Stadt wie jede andere im britischen Empire. Cryson hatte nicht einmal den Versuch unternommen, ihr zu folgen. Ihm musste bewusst geworden sein, dass er für Jil keine Verwendung mehr haben würde seit das Sedhiassa verschwunden war. Er hatte sie nur benutzt, wahrscheinlich nie wirklich geliebt. Selbstmitleid war nicht ein Gefühl, das Jil oft empfand, doch in diesem Moment konnte sie nicht anders, als darin zu verglühen.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit brachte sie es endlich fertig, in Danas Hemdtasche zu greifen. Sie förderte einen winzigen Gegenstand zutage, der im blassen Licht der aufgehenden Sonne funkelte. Es war ein Ohrring, ein kleiner roter Stein auf einem Stecker. Jil spürte, wie er in ihren Händen leicht vibrierte. Das also war das Sedhiassa ? Dieses winzige Ding? Jil steckte den Ohrring in ihre Hosentasche. Schweren Herzens nahm sie Danas Kopf in beide Hände und legte ihn neben sich ab. Langsam erhob Jil sich, ihre Glieder waren steif und eingeschlafen.
    Mittlerweile war das Herrenhaus komplett verschwunden, nur eine wilde Graslandschaft war übrig geblieben. Jil blickte über die Straße. Auch Ray war verschwunden.
    »Dana, es tut mir leid. Ich würde dich gerne beerdigen, wie du es verdient hast. Ein Grab auf dem Friedhof vor der Kirche. Aber ich habe weder die Kraft noch die Mittel«, sagte sie. Sie riss den Blick von dem leblosen Körper los und trat zurück auf die Straße. Die Sonne war beinahe vollständig aufgegangen. Sie spürte, wie der kleine Ohrring in ihrer Hosentasche rieb. Noch vor wenigen Minuten war Jil sich sicher gewesen, dass sie Ray und den verbliebenen Vartyden das Sedhiassa aushändigen wollte, aber plötzlich geriet ihre Welt abermals ins Wanken. Konnte sie einem Mann das Leben retten, der den Tod ihrer Schwester verschuldet hatte? Und wollte Ray überhaupt noch gerettet werden? Er hatte sein Leben hunderte Male zum Schutz des Lichts aufs Spiel gesetzt, aber hatte es jetzt noch eine Bedeutung für ihn?
    Jil schritt die Straße entlang, zu deren Seiten nun immer mehr Löcher dort klafften, wo einst Gebäude gestanden hatten. Der Regen vermischte sich mit all den Tränen, die sie über Jahre zurückgehalten hatte. Es war, als hätte sich ein Knoten in ihrer Brust gelöst. Sie empfand eine Vielzahl von Emotionen, die sie bislang nur vom Hörensagen kannte. Echte, wahre Schuldgefühle, Reue und unendliche Traurigkeit waren hervorgebrochen wie ein wildes Tier, das sich nach langer Gefangenschaft von seinen Ketten losgerissen hatte. Tausende Fragen hämmerten in ihrem Kopf, prasselten auf sie nieder wie die Regentropfen auf die Pflastersteine. Sie konnte nicht jemanden lieben, der ihr das Letzte genommen hatte, was Jil geblieben war. Sie konnte aber auch nicht aufhören, ihn zu lieben… Ihre Schuldgefühle verstärkten sich durch diese Erkenntnis nur noch weiter.
    Jil ging die Straßen entlang, die ihr ein Leben lang ein Zuhause gewesen waren. Sie ging weder besonders schnell noch langsam, völlig ohne Ziel und ohne einen Blick für die Zerstörungskraft des

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