Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Tür erschreckte Merivan dermaßen, dass sie einen Ultraschallimpuls ausstieß. Mit bewundernswerter Ruhe sagte die adlige Witwe zu der Zofe: »Kümmere dich bitte darum.« Merivan sondierte panisch das Zimmer und ihre Mutter sagte: »Sei nicht albern, Liebes. Wir können Telmaine nicht verstecken, und in Anbetracht deines Zustands und meines Alters sollten wir auch nicht zu den Waffen oder Schürhaken greifen. Richtig? « Dies in scharfem Ton.
»Ich muss mit Prinzessin Telmaine sprechen«, hörte Telmaine Kingsley sagen.
»Prinzessin Telmaine ist nicht in der Verfassung, irgendjemanden zu empfangen«, sagte die Witwe, »und zudem ist Ihr Verhalten höchst aufdringlich.«
»Ich werde ein noch schlimmeres Verhalten an die Nacht legen, falls nötig«, entgegnete Kingsley und richtete sein Sonar auf Telmaine. »Werte Prinzessin, die Herzöge und der Superintendent beraten sich gerade. Der Super hat vor, Sie zu verhaften – wegen geheimer hexerischer Umtriebe und wer weiß was noch. Aber die Herzöge würden lieber die Lichtgeborenen für die Sache mit dem Erzherzog verantwortlich machen. Worin sie sich alle einig sind, ist, Sie wegzusperren, genauso wie sie Fürst V. weggesperrt haben. Sie sollten besser von hier verschwinden.«
»Was fällt…«, empörte sich Merivan, doch die Witwe sagte: »Fahren Sie fort.«
»Viel mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Mir würde es nicht gut bekommen, noch länger hier zu bleiben, nach meiner Beteiligung an … na ja, nachdem ich das Tafelsilber eingesteckt habe.« Kurzerhand machte er einen großen Schritt und fiel neben Telmaines Sessel auf ein Knie. »Kommen Sie schon, Prinzessin, zeigen Sie’s denen, ich weiß doch, wie mutig Sie sind. Ich bin nicht in der Lage, Sie aus der Anstalt zu schmuggeln, in die man Sie stecken will, aber ich kann mein Bestes geben, um Sie hier herauszuholen. Der Baron würde mir das Fell über die Ohren ziehen, wenn ich es nicht täte.«
Die adlige Witwe sagte: »Wie ist Ihr Name?«
»Kip Kingsley, Euer Hoheit.«
»Sie sind noch nicht lange in Stellung«, bemerkte sie, »und gewiss nicht im erzherzoglichen Haushalt. Wie ist Ihr richtiger Name, und wieso behaupten Sie, im Dienst meiner Tochter zu stehen?«
Schnell kam Kingsley auf die Beine. Telmaine hob ihren hängenden Kopf gerade soweit, dass sie ihn peilen konnte, wie er mit geballten Fäusten vor ihrer Mutter stand, als müsste er sich sogar vor ihrer Familie für sie einsetzen. »Mein Name ist Kip, Euer Hoheit – das ist alles, Sie können sich vorstellen, warum. Bis vor Kurzem war ich noch Gefängnisapotheker. Diese Anstellung ist weg: Der Preis für eine gute Tat und die Hoffnung auf Rache. Ich habe bei dem Brand in der Flussmark mein Kind verloren, Euer Hoheit, und für das Leben meiner Tochter will ich Blut sehen. Inzwischen hat ein anderes Feuer den Erzherzog dahingerafft und vielleicht auch den Verstand der Prinzessin. Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie sie noch mehr zu leiden hat.«
»Vielen Dank, Kingsley, das genügt. Warten Sie draußen. Wir sind gleich so weit. Mädchen, hilf mir aus meinem Kleid.«
»Mutter«, sagte Merivan mit erstickter Stimme. Im Hintergrund zog Kip hastig die Tür hinter sich zu.
»Nimm dir einen Moment Zeit, dich zu sammeln, Merivan; jetzt liegt alles bei dir.« Unter flinken Fingern sprangen Knöpfe auf, und Stoffe raschelten und glitten zu Boden, als sich die Herzogin ihres äußeren Kleides entledigte. »Telmaine wird meine Sachen anziehen, und ihr beide werdet den Palast mit diesem jungen Mann da draußen verlassen. Ich überlasse dir die Entscheidung, wohin ihr dann geht, aber ich schlage vor, einen Ort außerhalb der Stadt zu wählen. Ich werde hierbleiben. Der gute Superintendent dürfte gewiss verärgert sein, aber ich bezweifle, dass er gerichtlich gegen die Herzoginwitwe Stott vorgehen wird. Obwohl ich gestehen muss, dass ich mich schon immer gefragt habe, wie es sich wohl anfühlen mag, in einer Zelle zu sitzen. Im Laufe seines Lebens sollte ein jeder nach neuen Erfahrungen streben.«
»Mutter«, sagte Merivan, ein ungewohnt schwaches Aufbegehren ihrerseits.
»Vielleicht solltest du aber doch lieber Theophile und Eduard unterrichten, für alle Fälle.« Das Rascheln und Gleiten fand ein Ende. »Und nun, Telmaine, musst du mein Kleid anziehen.«
»Wir müssen sie ein bisschen aufpolstern. Komm, Telmaine, steh auf.«
Energische Finger gruben sich durch den Morgenmantel in Telmaines rechten Ellbogen, und sie spürte ein Stechen im
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