Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
nun aus dem Nebenraum. »Meine Dame, Fürst Vladimer beschuldigt Prinzessin Telmaine, für diese Katastrophe verantwortlich zu sein. Er behauptet, auf sie gezielt zu haben und nicht auf Prinzessin Sylvide.«
»Das ist aber höchst merkwürdig«, flötete Merivan. »Warum in aller Welt sollte Fürst Vladimer etwas Derartiges tun?«
Eine andere Stimme meldete sich zu Wort, die von Malachi Plantageter. »Prinzessin Erskane, irgendjemand oder irgend etwas ist dafür verantwortlich, dass sich im Ballsaal diverse Gegenstände und Materialien spontan entzündeten, wodurch mehr als zwei Dutzend Menschen verletzt wurden, darunter auch der Erzherzog.«
Es tut mir so leid , formten Telmaines Lippen.
»Dessen bin ich mir sehr wohl bewusst, meine Herren, wie meine eigenen Verbrennungen bestätigen dürften. Sollten Sie nun eine konkrete Anschuldigung vorzubringen haben, so tun Sie das, und will ich diese gern im Namen meiner Schwester zurückweisen.«
Müde sagte Malachi Plantageter: »Prinzessin Merivan, vor einigen Tagen brannte tagsüber ein Teil der Flussmark nieder, wobei Hunderte ums Leben kamen. Vor drei Tagen starben vier Männer bei einem Lagerhausbrand, der sich urplötzlich entzündet hatte und so heftig wütete, dass sie keine Chance hatten zu entkommen. Prinzessin Telmaine gibt zu, sich zu dem Zeitpunkt, als das Feuer ausbrach, am Ort des Geschehens aufgehalten zu haben, um ihre Tochter zu retten. Fürst Vladimer und Ihre Schwester trafen vorgestern Abend am Bolingbroke-Bahnhof ein, und der Zug, mit dem sie gefahren waren, ging in Flammen auf. Heute Abend erlitten der Erzherzog und noch weitere Personen Verbrennungen durch Feuer. Unmittelbar davor zeigte Prinzessin Telmaine Anzeichen großer Verzweiflung. Zeugen haben sie sagen hören: »Nein« und »Lass mich in Frieden«. Meine Untersuchung des Ballsaals hat eindeutig ergeben, dass sich der Schaden und die Verletzungen ringsum Ihre Schwester und die unglückselige Prinzessin Sylvide konzentrierten, die in diesem Teil des Saales überdies als Einzige von den Flammen gänzlich verschont blieben.«
»Ihre Schwester« – das war Kalamay – »verkehrte zudem mit Ishmael di Studier.«
»Meine Herren«, sagte Merivan kühl, »Sie werden mich nicht davon überzeugen, dass meine arme Schwester sich etwas anderem schuldig gemacht haben soll, als ihren Umgang ungünstig gewählt zu haben, und zudem das Opfer der unüberlegten Entscheidungen ihres Gatten wurde.«
Telmaine gab ein leises Krächzen von sich – zu leise, um gehört zu werden.
»Doch sobald Prinzessin Telmaine wieder imstande ist, eine Unterhaltung zu führen, werde ich dafür Sorge tragen, dass sie mit Ihnen spricht. In der Zwischenzeit wünsche ich Ihnen alles Gute bei der Suche nach den wahren Verantwortlichen.«
»Prinzessin Erskane«, sagte Mycene, »was hat es mit der Beziehung Ihrer Schwester zu … « Plötzlich fand das Gespräch ein jähes Ende. Telmaine hob den Kopf, und ihr Sonar fing die Zofe mit einer Hand am Türgriff auf. Schnell zog die Frau ihre Hand zurück, kam auf Zehenspitzen zu Telmaine gelaufen, beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte: »Gnädige Frau?« Telmaine ignorierte sie jedoch, lauschte stattdessen mit ihrer Haut.
Sie hörte noch, wie Merivan antwortete: »Keine andere Beziehung zu den Lichtgeborenen als Sie oder ich.«
»Mistress Weiße Hand, Mitglied des lichtgeborenen Hofstaats, befindet sich hier in der Obhut des erzherzoglichen Palastes. Letzte Nacht hat Fürst Vladimer ihr Asyl gewährt, da sie wegen des Verdachts, am Tod des Prinzen beteiligt gewesen zu sein, von der Palastwache gesucht wurde.«
»Und was«, sagte Merivan, »hat das mit Telmaine zu tun?«
»Mistress Weiße Hand ist bekanntermaßen eine Vertraute von Balthasar Hearne. Und Prinzessin Telmaine hat sie letzte Nacht zweimal aufgesucht, einmal in Begleitung von Fürst Vladimer und später noch einmal allein.«
»Meine Schwester … «, begann Merivan mit Nachdruck, unterbrach sich jedoch und sagte aus purem Kalkül heraus, das zumindest Telmaine hören konnte: »Meine Herren, Telmaine hat sich mir gewiss nie anvertraut – aber mitunter sieht sich eine Frau gezwungen, die Konfrontation mit einer mutmaßlichen Nebenbuhlerin im Kampf um die Zuneigung ihres Gatten zu suchen.«
»Eine Lichtgeborene? «, argwöhnte Kalamay.
»Für eine Frau«, sagte Merivan traurig, »findet Untreue im Herzen statt. Meine Schwester war schlicht und ergreifend unklug – in ihrer Ehe und, wie es scheint, in ihrer
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