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Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Titel: Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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ganzen Arm. Durch die Berührung fühlte sie Merivans Angst, ihre Empörung – über Telmaine und die Herzöge gleichermaßen – , ihre Übelkeit und Schmerzen. Über allem brannte die Sehnsucht nach der Sicherheit und Ordnung ihres eigenen Haushaltes und die Entschlossenheit, den Ruf ihrer Familie zu schützen, sie vor dem Skandal zu bewahren, eine verrückte Verwandte zu haben – oder Schlimmeres.
    Telmaine stand da wie eine Gliederpuppe, als sie ihren Oberkörper ausstopften, ihr die Unterröcke und das Kleid über den Kopf warfen und das Mieder zuknöpften. Derart aufgepolstert, um eine Ähnlichkeit mit der Statur ihrer Mutter zu erreichen, konnte sie kaum noch atmen.
    Von hinten legte ihr Merivan einen dicken Umhang um die Schultern und zog ihr die Kapuze über das Gesicht, bis sie spürte, dass deren Saum ihre Nase berührte. »Es ist nicht nötig, mich für die Reise zurechtzumachen. Je mitgenommener ich wirke, desto besser. Du bleibst am besten bei der Herzogin. Sonst fragt sich womöglich noch jemand, warum du weggehst.«
    »Ja, gnädige Frau«, sagte die Zofe mit dünner Stimme.
    »Tapferes Mädchen«, stimmte die Herzogin zu. »Gemeinsam werden wir es schon schaffen. Und nun geht, meine Lieben. Wir kommen bestimmt bald nach.«
    Merivan ließ sich keine Zeit für Abschiedsworte, sondern schob Telmaine durch den Korridor und zog sie vorwärts, als diese sich auf der Treppe sträubte weiterzugehen, weil sie daran dachte, wie Ishmael gefesselt und bewusstlos in den Armen derer gehangen hatte, die ihn verhafteten. Sobald sie das Foyer erreichten, übernahm es Kingsley, Telmaine zu stützen, derweil Merivan vorausstürmte und lauthals zu erfahren verlangte, warum die Kutsche, die sie angefordert hatte, noch nicht auf sie wartete.
    »Der Regentschaftsrat hat angeordnet, dass niemand hinaus darf, Hoheit«, sagte der Lakai. »Es wurde eine Ausgangssperre verhängt.«
    »Ich hege starke Zweifel«, sagte Merivan in einem vortrefflich gebieterischen Tonfall, »dass diese Ausgangssperre mich oder meine Mutter, die Herzoginwitwe Stott, betrifft. Ich fühle mich unwohl, und ich wünsche, von meinen eignen Ärzten behandelt zu werden. Besorgen Sie mir eine Kutsche.«
    »Hoheit, das Risiko weiterer lichtgeborener … «
    »Guter Mann, mit der Gefahr, die von lichtgeborener Magie ausgeht, bin ich unverkennbar vertraut, wie auch Sie erkennen könnten, so Sie denn wollten. Ich werde mich in meinem Zuhause weitaus sicherer fühlen. Und jetzt eine Droschke, oder wir werden laufen , und darüber dürfen Sie dann vor Ihrem Oberlakaien Rechenschaft ablegen.«
    Merivans einschüchternder Standesstolz brachte sie an dem Lakaien vorbei, die Stufen hinunter. Kingsley und der Kutscher hoben Telmaine in den Wagen, überließen es jedoch ihr, sich die Sitzbank zu ertasten. Merivan stieg nach ihr ein. Als sie Platz nahm, sog sie scharf die Luft ein, was Telmaine plötzlich an Ishmael di Studier erinnerte, daran, wie sie aus Balthasars Stadthaus geflohen waren und wie stark er unter den Verbrennungen leiden musste, die er sich bei seiner Flucht aus der brennenden Flussmark zugezogen hatte.
    »Meri«, krächzte sie.
    »Um Himmels willen«, schimpfte ihre Schwester, »schweig still!«
    Kingsley kletterte mit auf den Kutschbock, bereit, seinem Entschluss Nachdruck zu verleihen, falls es nötig sein sollte. Das Tor des großen Vorhofs stand offen. Die Droschke ruckte vorwärts und wurde auf der schmalen Zufahrtsstraße deutlich schneller, so dass die beiden Schwestern bei der scharfen Wende gegen die Seitenwand geworfen wurden. Am geschlossenen Haupttor wiederholte Merivan ihren Standpunkt den Wachen gegenüber – zweifellos könne die erzherzogliche Ausgangssperre unmöglich für sie gelten, Gattin von Fürst Theophile, Schwester von Herzog Eduard Stott, Tochter von, und so weiter und so fort. Die Torflügel schwangen auf, ließen sie frei, und sobald die Kutsche abgebogen war, nahmen die Erschütterungen durch das Kopfsteinpflaster ab.
    Auf einmal überkam Telmaine das Gefühl zu ersticken, und sie schob sich die Kapuze vom Kopf. Merivan hatte eine merkwürdige Miene aufgesetzt: hocherfreut, von Übelkeit geplagt und triumphierend zugleich. Ihr linker Ärmel war abgeschnitten, und ein Verband bedeckte ihren Arm vom Handgelenk bis zur Schulter. Von ihrer einstmals kunstvollen Frisur war nur noch ein wirres Etwas übrig, auf der linken Seite waren ihre Locken versengt, kraus und borstig. Gequält flüsterte Telmaine: »Merivan.«
    »Lass

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