Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
Interpretation nicht allzu sicher sein, doch ihm wollte nichts Passenderes einfallen. Und was dieses Allzusichersein anging – ohne Tam wäre er schon zweimal tot gewesen. Er hatte gehört, wie die Magierwache gegen ihre Machtlosigkeit protestierte, während er in Tams Armen lag. Allein die Wunde hätte tödlich sein können. Tam hatte sie geheilt, Fejelis das Blut aus dem Gesicht gewischt und ihn beim Namen seines verstorbenen Bruders genannt.
Wenn du so genau hingesehen hast, wie du konntest, glaube dem, was du siehst , hatte sein Vater ihm bei mehr als einer Gelegenheit gesagt.
»Hattest du für deinen Versuch, diesen Magier zu bannen, die Zustimmung des Tempels?«
»Nein«, antwortete Tam. »Es ist nicht … Lukfer denkt, es wäre gefährlich für mich und die anderen Wildschläge, wenn die Tempelmagier erführen, dass wir von der Existenz dieser Magie wissen. Lukfer wusste nur zu sagen, dass die Fähigkeit, sie wahrzunehmen und sie zu wirken, den Blutlinien bereits vor gut fünfhundert Jahren verloren ging.«
»Fünf hundert .« Zu der Zeit hatten die Lichtgeborenen die gesamten Grenzlande den Nachtgeborenen überlassen. »Aber die Nachtgeborenen können es. Du kannst es. Lukfer.« Da erkannte er den Zusammenhang. »Alle Wildschläge können … «
»Ja.«
»Das ändert womöglich so einiges«, sagte Fejelis, ein schwacher Ausdruck für die sich bietenden Möglichkeiten jenseits seiner prosaischen Vorstellungskraft. »Es könnte den ersten Vorstoß gegen die Herrschaft der Magier darstellen. Ebenso könnte es der Funke sein, der das Feuer entfacht.« Was Fejelis sich diesbezüglich alles vorstellen konnte, machte ihm Angst.
Er atmete tief ein. »Wir dürfen Sejanus Plantageter nicht sterben lassen«, sagte er. »Wir brauchen ihn – und keinen Regentschaftsrat, der von Kalamay und Mycene angeführt wird … Ich nehme dich unter Vertrag. Wir müssen allerdings Formulierungen finden, die einer eventuellen Anfechtung standhalten, ohne allzu spezifisch zu sein – wir müssen einen Weg finden, seinen Tod zu verhindern, ohne den Pakt zu brechen. Wenn das überhaupt möglich ist.«
»Die nachtgeborene Magierin … könnte es«, sagte Tam. »Aber ich weiß nicht, ob sie … «
»Sei überzeugend«, entgegnete Fejelis eisern.
Telmaine
Von dem, was um sie herum vorging, bekam sie gar nichts mit; sie war einzig damit beschäftigt, ihre schreckliche Magie niederzuringen, sie fest in ihrem Inneren zu verschließen. Ringsum redeten Leute miteinander und mit ihr, doch sie reagierte nicht auf sie; wenn sie sie berührten, zuckte sie vor deren Bestürzung und Sorge zurück. In unterschiedlichen Abständen fühlte sie ein schwankendes Bewusstsein, spürte ein halbwegs verständliches Flüstern: ›Telmaine.‹ Sie zog ihr Bewusstsein immer tiefer in sich hinein, derweil sie in einen Morgenmantel gewickelt in einem breiten Sessel saß und ihre ungeschützten Hände unter die Achseln klemmte.
»Und an ihrem Zustand hat sich nichts mehr geändert, seit … «
»Seit wir sie aus dem Ballsaal hierher gebracht haben.«
Ein Peilruf strich heftig über sie hinweg, eine harsche, aufdringliche Berührung. Ihre Finger tasteten nach einem nicht vorhandenen Schleier, fanden jedoch nur ungekämmte Haare.
»Frau Hearne« – Sachevar Mycenes Stimme – »wissen Sie, wer für die Vorkommnisse im Ballsaal verantwortlich war?«
Das war ich , wollte es aus ihr herausplatzen. Ihre Hand glitt über ihre Wange hinunter zum Mund, verschloss ihre Lippen.
»Ich muss doch sehr bitten, edler Herzog« – das war Merivan – »meine Schwester ist die gebürtige Prinzessin Telmaine Stott.«
»Gute Frau, ich versuche hier, Antworten zu bekommen.«
»Meine Schwester steht unter einem schweren Schock, mein Herr. Ihre beste Freundin wurde vor ihren Augen ermordet. Als wir sie hierher brachten, waren ihre Kleider getränkt von Sylvides Blut.«
Die Worte beschworen dessen klebrige Wärme herauf, den metallischen Geruch. Telmaine würgte in ihre Hände, obwohl es außer Galle nicht viel hochzuwürgen gab. Mycene kam eiligst auf die Beine und entfernte sich ein paar Schritte. Die Zofe beugte sich über Telmaine. Ihre Berührung war störend, ein Strudel geheimnisvoller Symbole wich der Angst und dem Misstrauen gegenüber den hohen Herren, dem Instinkt, Telmaine zu beschützen, und der Sorge um sich selbst.
»Ich bitte Sie«, sagte Merivan, »lassen Sie meine Schwester zur Ruhe kommen.«
Die Eindringlinge zogen sich zurück, ihre Stimmen kamen
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