Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren
seiner Klasse und ihrer Talente. Es waren keine Verletzungen an ihm auszumachen, doch sein Gesicht wirkte müde und abgespannt.
»Prinzessin Telmaine«, sagte der Erzherzog. Und dann leise: »Es tut mir leid.«
Ihr Peilruf traf ihn, als er einen Stuhl nahm und sich setzte. Seine Bewegungen zeugten von einer Scheu, einer Gezwungenheit, die Distanz zwischen ihnen schuf und zeigte, dass er sich vor ihr fürchtete. Doch war da auch düstere Entschlossenheit.
»Ich habe mit Vladimer und meinen Herzögen gesprochen. Nun möchte ich Ihre Sichtweise dazu hören.«
Es tut mir leid , hatte er gesagt, wie ein Arzt, der ein frühes Ableben prophezeite oder ein Vater eine Strafe. »Ändert sich dadurch irgendetwas?«, wisperte sie.
Sie hielt ihr Sonar zurück, wollte nicht wissen, welcher Ausdruck auf seinem Gesicht lag.
»Nein«, sagte er schließlich. »Doch wenn ich nicht annehmen würde, dass Sie in gewisser Weise unschuldig sind, wäre ich nicht hergekommen.« Ihre Lippen öffneten sich, aber was sollte sie schon sagen? »Ihrem Geständnis nach wollten Sie weder mir noch anderen schaden. Ebenso wenig wie – was ich glaube – Ihr lichtgeborener Gefährte. Ist er noch bei Ihnen?«
»Nein«, sagte sie. »Ich glaube … ich glaube, ihm ist etwas zugestoßen. Vielleicht beim Angriff auf den Turm … «
Es folgte Schweigen.
»Wird man mich der Hexerei anklagen?«, flüsterte sie.
»Nein«, antwortete der Erzherzog leise. »Das ist bereits geschehen.«
Ihre panische Peilung ließ ihn zusammenzucken. Der Schreck erzürnte ihn, wenn auch seinetwegen, nicht ihretwegen, wie sie merkte, als er sich auf seinem Stuhl zu ihr vorbeugte.
»Ich bekam keine Anhörung. Keine Verteidigung. Mein Mann … « Und dann presste sie vor Scham ihre Hand auf den Mund. Vor dem Recht waren sie eins, und somit konnte man Balthasar als ihren Mann für ihre Taten mit schuldig sprechen. Sollte sie versuchen, sich hinter ihm zu verstecken, würde sie ihn womöglich mit ins Unglück reißen. »Das dürfen Sie nicht!«, platzte sie heraus. »Balthasar wusste nichts davon. Sie dürfen ihn nicht verurteilen. Es ist alles meine Schuld.«
»Das tue ich nicht«, sagte der Erzherzog. »Ich verurteile Ihren Mann nicht. Ich verurteile nicht einmal Sie.« Er lächelte seltsam. »Arthritis ist ein weit verbreitetes Gebrechen. Selbst in meinem Alter wusste ich nicht mehr, wie es war, aus dem Bett zu springen. Jetzt fühlen sich meine Knie an wie die eines Zwanzigjährigen. Und was die Frage angeht, ob alles Ihre Schuld ist … meine Beste, da gibt es doch eine ganze Reihe würdiger Anwärter.«
»Und doch ich bin diejenige, die verurteilt wurde«, murmelte sie.
»Um die anderen werde ich mich beizeiten kümmern«, sagte der Erzherzog. »Selbst – Einziger Gott, steh mir bei – um meinen Bruder, der mir letztendlich doch noch die Wahrheit gesagt hat. Aber wenn ich das tun soll, darf nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass ich Herr über meinen Willen bin.« Eine Pause. »Verstehen Sie mich, Prinzessin Telmaine?«
Oh, Gott. Hexerei – der Vorwurf, den man Ishmael machte – zog die Todesstrafe nach sich, denn Magie starb mit dem Magier, und nur so ließ sich die Hexerei mit Sicherheit beenden. »Ich habe Sie nicht verhext!«, flüsterte sie.
»Können Sie es beweisen? Kann ich es beweisen? Kann ich es überhaupt wissen ?« In dieser letzten Frage, in diesem rauen Unterton, vernahm sie ihr Schicksal. Seine eigene Furcht vor der Magie würde ihr zum Verhängnis werden, wie sie auch Ishmael zum Verhängnis geworden war.
Wieder ruhig sagte er: »Was Mycene und Kalamay getan haben und Vladimer zugelassen hat, könnte einen Bürgerkrieg mit den Lichtgeborenen auslösen. Ich weiß nicht, ob die Magier sich mit ihrer Vergeltung zufrieden geben werden oder ob da noch mehr kommt. Doch wenn ich mit den Lichtgeborenen und Mycene und Kalamay fertig werden muss, dann brauche ich die uneingeschränkte Unterstützung aller meiner verbliebenen Herzöge und Barone und auch des niederen Adels. Und die werde ich nicht bekommen, solange magischer Einfluss nicht außer Frage steht.«
Sie war wie taub, unempfindlich gegen Gefühle oder Hitze, die Macht ihres Feuers war ihr so fern wie die nie gefühlte Sonne.
»Ein Prozess wegen Hexerei«, sagte der Erzherzog, »würde unangemessenes Aufsehen erregen. Da Sie Anaxamander Stotts Tochter sind, erlaubt das Gesetz in einem Fall, der den Interessen des Erzherzogtums schadet, eine Verurteilung durch Gleichgestellte unter
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