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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Walz
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schlafen, was ihn aber nicht störte. Es war schön, ruhig in der Dunkelheit zu liegen und dem Licht zuzuschauen, das durch die nicht ganz herabgelassenen Rollläden ins Schlafzimmer des Pfarrhauses sickerte. Für ihn wirkten die Ruhe und das Dämmerlicht regelrecht bewusstseinserweiternd. Niemand hatte ein Anliegen, bat um ein Gespräch oder rief ihn an. Niemand wollte von ihm Entscheidungen für die noch so banalsten Fragen, etwa ob die Kerze auf dem Altar rot zu sein habe oder weiß. Er konnte ungestört den Tag reflektieren und fand so oft Lösungen für komplizierte Probleme.
    Schon seit über zwei Jahren war er nun Pfarrer hier in diesem Vorort von Mainz. Dabei war er erst vierunddreißig. Das ging heute alles so schnell in der katholischen Kirche. Fachkräftemangel würden es die Wirtschaftswissenschaftler nennen. Vor nicht einmal vier Jahren war er im Mainzer Dom zum Priester geweiht worden. Mit dem Gesicht nach unten hatten er und drei weitere Kandidaten im Altarraum gelegen, bevor der Bischof ihnen die Weihe erteilte. Er konnte noch jetzt den kühlen Boden an der Stirn fühlen. Eine Station als Vikar und schon war er hier gelandet. Für ihn war es die Erfüllung eines lang gehegten Traums. Seine eigene Pfarrei, ein Leben gewidmet der Seelsorge.
    Der Entschluss, Priester zu werden, war langsam in ihm gereift, bis er bereit war, ihn umzusetzen. Weder das schwere Studium in Mainz noch die Vorstellung, ein Leben ohne Frau und Familie führen zu müssen, hatten ihn dann noch davon abhalten können. Die Weihe war wohl der größte, nun jedenfalls fast der größte Augenblick seines Lebens gewesen. Einen winzigen Augenblick lang hatte er geglaubt, Gott persönlich stünde neben ihm.
    Die Anfangszeit in der Pfarrei war schwer gewesen. Er hatte die Rangeleien zwischen den aktiven, jedoch durchweg alten und zumeist weiblichen Gemeindemitgliedern unterschätzt. Sprach er mit der einen länger als mit der anderen, war diese eingeschnappt.
    Erst die gleichmäßige Verteilung sowohl seiner Aufmerksamkeit als auch der zu erledigenden Arbeiten auf alle hatte die Wogen zu glätten vermocht und ihm den Weg zu einem seelsorgenden Gemeindepfarrer geöffnet. Er genoss es, hier gebraucht zu werden, Gottes Segen und Wort zu verkünden und die Jugendarbeit zu organisieren. Zwischenzeitlich organisierte er einmal im Jahr eine Fahrt nach Rom, wo er studiert hatte und sich bestens auskannte.
    Christine würde diesen Oktober auch mitfahren. Christine, die Frau, mit der er seit einem Jahr schlief.
    Pfarrer Matthias Lautwein drehte sich vorsichtig im Bett herum und schaute zu, wie sich ihr Brustkorb langsam und gleichmäßig hob. Sie blieb selten über Nacht bei ihm und ging immer vor dem Morgengrauen. Hinten durch den Garten verschwand sie unsichtbar für neugierige Blicke, auf den Parkplatz des riesigen Wohnblocks, an den der Pfarrgarten stieß.
    Christine hatte eines Nachmittags, es war Rosenmontag, an der Tür geklingelt. Verweint, mit roten Augen hatte sie um ein Gespräch gebeten und ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Nur einen Augenblick hatte es gedauert und sein pastoraler Schutzschild war zerbrochen. Der unbändige Wunsch hatte ihn durchdrungen, diese Frau haben zu dürfen. Er musste sie angestarrt haben, denn sie schaute überrascht auf, als sie seinen Blick spürte.
    Christine war keine auffallende Schönheit. Mittelblond, andere hätten hellbraun gesagt, fiel ihr Haar glatt auf die Schultern. Sie war nicht groß, noch hatte sie eine überwältigende Figur oder ein besonders markantes Gesicht, doch ihre braunen Augen hatten ihn aufgesogen. Er hatte augenblicklich jeden Mann beneidet, den sie damit verliebt anschaute. Dann hatte er sich gefangen und mit aller Kraft zusammengerissen, hatte sich hinter der Würde seines Amtes versteckt und auf die Routine gesetzt. Ihr Vater war tags zuvor gestorben, und sie bat ihn, die Beerdigung zu übernehmen, da es der ausdrückliche Wunsch des Verstorbenen gewesen sei. Sie unterhielten sich lange über den Toten und den Tod, doch für ihn verkörperte sie das Leben mit allen wundervollen Geheimnissen, die sich ihm bislang nicht offenbart hatten. Er hatte gespürt, wie er sich verliebte, und es wehrlos geschehen lassen. Als sie dann ging, wurde ihm die Leere des Pfarrhauses überdeutlich bewusst. Heute fiel es ihm schwer, das nachzuempfinden.
    Draußen fuhren Autos vorbei und hielten am Ende der Straße an. Die Motoren erstarben und die Ruhe senkte sich wieder über das

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