Lichthaus Kaltgestellt
gefährlich.«
»Sie können es sich ja aussuchen. Aussage oder Bau.«
Rosner schwieg. Sie warteten noch einen Augenblick, dann entschied Lichthaus.
»Sie bleiben über Nacht hier. Wir haben DNA-Spuren des Täters gefunden. Es steht Ihnen frei, morgen einen Test durchzuführen zu lassen, um sich zu entlasten. Herr Marx, bitte veranlassen Sie die Unterbringung in die Untersuchungshaft.«
Er stand auf und ging in den angrenzenden Raum, auf die andere Seite des Spiegels. Dort traf er wieder auf Scherer. »Schalt morgen die Sitte ein, die können hier weitermachen.«
Scherer nickte erleichtert. Es war mittlerweile neun Uhr und draußen bereits dunkel. Die Abende werden schon wieder kürzer, fiel Lichthaus auf. Sophie Erdmann sah erschöpft aus.
»Ich brauche die Unterlagen aus Wiesbaden, besonders die Akte Cordes bzw. Ludwig. Hat sich sonst etwas ergeben?« Müde schüttelten die beiden den Kopf.
Ohne das Licht einzuschalten, stellte er sich wie so oft ans Fenster seines Büros und dachte nach. Sie waren dem Täter im Laufe des Tages ein gutes Stück näher gekommen, hatten aber keinen Durchbruch erzielt. Die Spuren waren eindeutig und würden den Mörder überführen, doch bislang wiesen sie ihnen noch nicht die Richtung. Was jetzt kam, war Knochenarbeit. Es waren alle ähnlich gelagerten Fälle, Morde und Vergewaltigungen sowie die Täter im Bundesgebiet zu überprüfen. Er würde sich um einen guten Fallanalytiker kümmern müssen. Seine Gedanken schweiften ab, und er dachte an Claudias Urlaubspläne. Eine ganze Woche ohne die beiden. Die Vorstellung von einem leeren Haus tat ihm weh. Lichthaus seufzte. Andererseits musste er sich eingestehen, dass ihm in der kommenden Woche nicht viel Zeit für die beiden bleiben würde.
Es klopfte, Sophie Erdmann brachte die Akten aus Wiesbaden. Er packte den kleinen Stapel in seine Tasche, dann fuhr er nach Hause.
*
In Eitelsbach betrat er leise das Haus. Im Schlafzimmer schrie Henriette, und er hörte Claudias beruhigende Stimme. Lichthaus stellte die schwere Aktentasche ab und ging nach oben. Claudia lief mit dem verzweifelt weinenden Baby auf dem Arm hin und her. Sie sah erschöpft und genervt aus.
»Sie schreit jetzt schon eine volle Stunde. Ich werde gleich verrückt.«
»Ich komme.« Im Bad wusch er sich die Hände und riskierte einen Blick in den Spiegel. Von der Ruhe, die er aus dem Vaterschaftsurlaub mitgebracht hatte, war nichts mehr zu sehen. Er hatte die Eigenart, bei Stress und Übermüdung unter den Augen dunkle Ringe zu bekommen, was den müden Ausdruck in seinem Gesicht noch verstärkte. Außerdem war er unrasiert, und im fahlen Licht der Lampe sah seine Haut wie altes Pergamentpapier aus. Zum Kotzen. Er wandte sich resigniert ab und ging zurück ins Schlafzimmer. Henriette schrie weiter, so laut und so grell, wie es nur Säuglinge können. Ihr Gesicht war vor Anstrengung rot angelaufen, und sie zog die Beinchen an.
»Sie hat Koliken«, meinte Claudia. »Es hat gleich nach dem Stillen angefangen.« Sie schaute mit Tränen in den Augen auf das Baby. »Ich habe doch nichts Falsches gegessen?«
Sie blickte ihn groß an. Lichthaus zuckte genervt die Schultern. Das hatte ihm heute noch gefehlt. »Woher soll ich das denn wissen?« Sein Ton war grob.
»Es ist auch deine Tochter.« Ihre Stimme wurde schneidend. »Ich habe sie den ganzen Tag gehabt.«
»ja, ja«, fuhr er sie an. »Ist schon gut. Gib sie mir und ruh dich aus.«
»Das musst du nicht tun. Ich komme allein zurecht.«
»Schon gut.« Er sah ein, dass er nicht seinen Stress an ihr auslassen sollte. »Wir sind beide nicht besonders gut drauf. Wir sollten nicht streiten.«
Er sah sie einen Augenblick entschuldigend an, dann nahm er Henriette, legte sie mit dem Bauch nach unten auf einen Unterarm und nahm Claudia in den anderen. Die Anspannung löste sich nun auch bei ihr, und sie lächelte ihn schief an.
Lichthaus ging mit dem schreienden Baby ins Erdgeschoss und lief im Wohnzimmer auf und ab. Der Druck auf den Leib schien nach einigen Minuten zu wirken. Endlich beruhigte Henriette sich und schlief ein, aber selbst im Schlaf wimmerte sie immer wieder leise und nicht weniger herzzerreißend. In der Küche standen noch ein paar kalte Kartoffeln, die er im Stehen mit etwas Salz aß und dazu ganz gegen seine Gewohnheiten eine Flasche Bier trank. Dann setzte er sich mit dem schlafenden Kind an den Tisch und begann, die Akten zu lesen.
Insgesamt hatten die fünf Vergewaltigungen in nur wenigen Monaten
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