Lichthaus Kaltgestellt
anzog, schlief er auf dem kleinen Sofa im Kinderzimmer ein. Erst um zehn Uhr kam er wieder zu sich. Sie hatte ihn zugedeckt und saß nun im Wohnzimmer und schaute fern. Die Müdigkeit hing nach dem kurzen Schlaf wie Blei in seinen Gliedern. Er setzte sich zu ihr und begann lahm ein Gespräch, nickte jedoch immer wieder ein, bis sie ihn lächelnd aufforderte, doch endlich schlafen zu gehen. Dankbar wünschte er ihr eine gute Nacht und legte sich ins Bett. Seine vom Stress verkrampften Muskeln entspannten sich, und die Ruhe durchfloss ihn, wie eine Beruhigungsinfusion. Er schlief traumlos, hörte nicht, als Henriette schrie, merkte nicht, dass Claudia sie am frühen Morgen stillte und wickelte, und hörte auch nicht den Regen, der auf das Dach prasselte. Sein ausgelaugter Körper nahm sich, was er brauchte.
*
Er saß in der Küche und rauchte nervös eine Zigarette. Der Raum war funktionell mit einer alten Einbauküche eingerichtet, sonst kahl, ohne Bilder an den Wänden. Nur der Kalender einer Apotheke hing neben der Tür, zeigte noch das Julibild, einen Strand voll mit munter planschenden Badegästen. Das einzig Fröhliche in diesem Raum. Ein Fremder würde das Haus als unpersönlich, ohne Individualität empfinden, aber es kam nie jemand her. Nie. Die Eckbank war ungepolstert und der Holzlack darauf ebenso stumpf wie der auf dem Tisch. Die weißen Wände vergilbten langsam im Zigarettenqualm. Doch das interessierte ihn nicht.
Unwillig drückte er den Stummel aus, stand auf und lief ziellos umher. Dann setzte er sich wieder und griff zur nächsten Zigarette. Die innere Spannung war unerträglich. Er musste los. Gleich heute, wenn nur noch wenige Menschen auf der Straße sein würden. Noch so lange warten! Der Sonntag war erfolglos geblieben, obwohl er es genauestens vorbereitet hatte. Wie hatte er sich den Abend schon ausgemalt. Er hätte dem Weib gezeigt, wer das Sagen hat. Er hätte ihr beigebracht, dass man ihn nicht so von oben herab, fast schon angewidert ansehen dürfe. Und dann dieser Misserfolg! Wie in Panik war er vor dem heranstürmenden Jungen weggerast.
Er schlug auf den Tisch. Jetzt kam das Weib ungeschoren davon, denn er war gesehen worden. Verdammt! Er hatte den Druck kaum ausgehalten, wollte sich wahllos ein Luder von der Straße pflücken, doch das ging so nicht, die kannte er ja dann nicht vom Anschauen. Herausgeschrien hatte er seinen Frust, bis ihm die Stimme versagte. Aber nun war es bald wieder so weit. Er würde das Weib aus Saarburg schnell vergessen haben, wenn sein neues Opfer im Keller einzog. Bald. Er sprang auf, musste runter in den Keller, um zu üben. Das würde ihn ablenken. Bis nachher. Wenig später drang das regelmäßige Klirren herauf, das auch schon Eva Schneider in ihrem Martyrium begleitet hatte.
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Erst um acht Uhr dreißig kam Lichthaus wieder zu sich. Es war angenehm kühl und ruhig im Zimmer. Claudia lag tief schlafend neben ihm und hatte einen Arm um seine Brust geschlungen, die Decke wie so oft über den Kopf gezogen. Er würde heute zu spät ins Büro kommen, doch das interessierte ihn nicht im Geringsten, denn er spürte, dass die Kraft wiedergekehrt war, die er brauchte, um die Ermittlungen voranzutreiben. Der Akku war wieder voll, und er brannte darauf weiterzumachen. Sanft schob er Claudias Arm beiseite und stand auf. Sie hatte den Wecker nicht gestellt, und er wusste, dass sie es mit Absicht gelassen hatte. Schon in Mainz hatte sie die Meinung vertreten, dass er zu wenig verdiente, um sich so kaputt zu machen. Eigentlich hatte sie Recht. Leise ging er hinüber zu Henriettes Bettchen und sah, dass auch sie friedlich schlief. Draußen regnete es leicht, und das Thermometer zeigte nur siebzehn Grad. Erste Vorboten des nahenden Herbstes.
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Hauptkommissar Rüdiger Hansen stand von seinem Schreibtisch auf, warf achtlos seine Unterlagen in den Postkorb und stellte ihn in den Schrank. Er hatte es eilig, war nur noch auf einen Sprung ins Büro gekommen, um aufzuräumen und die Übergabe der Akten an Becker, seinen Stellvertreter, zu organisieren. Sabine machte währenddessen die letzten Besorgungen, dann würde es losgehen. Urlaub mit Verspätung. Eigentlich hatten sie bereits am Sonntag mit dem Wohnwagen losfahren wollen, doch der Mordfall war dazwischengekommen, bei dem seine Leute in die Befragungen der Anwohner einbezogen worden waren. Er hatte Funk angerufen, um den Fall auf Becker abzuwälzen, doch der hatte nur kurz angebunden ein Nein in den Hörer geschnarrt.
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