Lichthaus Kaltgestellt
jedoch sehr vorsichtig sein«, Kohler wiegte den Kopf hin und her, »sonst machen wir die Pferde scheu – und uns lächerlich.«
»Schon klar. Ich werde Ihre Akten bei mir behalten und niemandem Einsicht gewähren, sie nur inoffiziell bei unseren Ermittlungen einbeziehen. Wenn sich nichts ergibt, bringe ich sie wieder zurück – und das war’s dann.«
»D’accord. So machen wir es. Und in der Zwischenzeit lasse ich mal Vergewaltigungsfälle und Belästigungsanzeigen durch unsere Datenbank laufen.«
Um sechs traf er im Präsidium in Trier ein. Marie Guillaume war schon weg, hatte aber im Postfach einige Nachrichten hinterlegt, die er mit ins Büro nahm. Die erste war von Sophie Erdmann, die zu ihrer neuen Wohnung gefahren war, um die Maler einzuweisen, telefonisch jedoch erreichbar blieb. Sie hatte einen kurzen Bericht beigelegt: Die Suche nach Beschwerden über Belästigungen oder Ausspähen sei bislang ergebnislos verlaufen. Der einzige konkrete Fall habe sich als Niete erwiesen. Zu überlegen sei, ob nun der Umkreis ausgedehnt werden solle. Eine kurze Notiz von Müller ließ ihn wissen, dass die Rasterfahndung angelaufen sei. Von den anderen gab es keine Rückmeldungen, so dass er sie in ihren Büros vermutete. Als er die Papiere weglegen wollte, fiel ein kleiner, weißer Zettel auf den Boden. Marie Guillaume schrieb, dass sie einen Anruf von der Pforte erhalten habe. Ein Stadtstreicher habe nach ihm gefragt, aber nicht auf seine Rückkehr warten wollen. Er würde morgen wiederkommen.
Lichthaus runzelte die Stirn, konnte sich aber keinen Reim darauf machen. Dann rief er Güttler an.
»Hallo Johannes«, begrüßte ihn der im freundlichen Ton. »Den Osteuropäer kannst du dir abschminken.«
»Wieso das denn?«
»Die Herzklappe stammt aus einer Serie, die Anfang der Achtzigerjahre in Österreich hergestellt wurde. Ich habe die Firma angerufen. Die haben damals ausschließlich in den deutschsprachigen Raum geliefert.«
»Gibt es Seriennummern oder so etwas?«
»Ja, ich gebe die Infos an Spleeth weiter, der kann die Klinik herausfinden. Dort kann er die Patienten checken.«
»Nein, der ist da nicht zuständig. Das macht am besten Steinrausch. Schick ihm eine kurze Notiz und die Nummer.«
Lichthaus bedankte sich und legte zufrieden auf. Wenigstens hier gab es Fortschritte, wenn auch kleine. Er ging zu Marx, der in seinem Büro vor einem Berg Akten saß und auf der Computertastatur tippte. Als Lichthaus eintrat, schaute er gleichgültig auf – ohne zu grüßen. Lichthaus tat es ihm gleich.
»Der Tote stammt vielleicht doch aus Deutschland.«
Er berichtete von dem Gespräch mit Güttler. »Steinrausch soll anhand der Nummer die Klinik herausfinden. Sie können dann ja anhand der Seriennummern den Namen des Patienten heraussuchen, und wir werden endlich wissen, wer unser Toter ist.«
Statt sich über die gute Nachricht zu freuen, war Marx sichtlich verärgert, dass nicht er sie erhalten hatte, obwohl er die Untersuchung leitete. Er nickte nur und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Zurück in seinem Büro meldete sich Lichthaus kurz bei Claudia, die aber wegen des Besuchs der Freunde in Eile war und keine Zeit für ihn hatte. Missmutig blätterte er die Akten aus Luxemburg durch, doch sie enthielten kaum Hinweise, die sie weiterführen würden. Außer der beklemmenden Angst der Angehörigen kam nichts zum Vorschein. Die Frauen waren allesamt spurlos in der Nähe ihrer Wohnungen verschwunden, und von keiner hatte es seitdem ein Lebenszeichen gegeben. Die Routineüberprüfungen hatten nichts erbracht, waren im Sande verlaufen. Es erschien ihm unmöglich, einen Zusammenhang mit dem Mord an Eva Schneider herzustellen. Er warf die Akten auf den Tisch und rief Kohler an, der zusagte, weitere Informationen zusammenzutragen.
Am liebsten wäre er jetzt ein wenig an die Luft gegangen, doch bald würde Steinrausch kommen, um mit ihm zu den Schwertkämpfern nach Klüsserath zu fahren. Er spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, die Befragung abzusagen, doch er riss sich zusammen. Nein, das würde er noch durchstehen.
*
Diesmal fuhren sie in Steinrauschs Auto; und der Kontrast zu Schröders schickem Passat hätte kaum größer sein können. Der beigefarbene Ford Mondeo war alt, aber gepflegt und Lichthaus hatte sich unwillkürlich nach dem Häkelkissen umgeschaut. Am Armaturenbrett klebte ein kleines Foto, das offensichtlich Steinrauschs Frau und seine beide Söhne zeigte. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, wie
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