Lichthaus Kaltgestellt
bringen, um anschließend zu ihren Eltern nach Wittlich zu fahren. Nach dem Frühstück tippte er einen kurzen Bericht und mailte ihn Müller, der die Rasterfahndung starten sollte. Es ging weiter.
*
Um halb zwölf saßen Claudia und Lichthaus im Auto und fuhren in die Stadt. Am Irminenfreihof stieg er aus. Der Regen war stärker geworden, und er duckte sich unter einem Sturzbach weg, der sich aus einer defekten Dachrinne auf den Bürgersteig ergoss. In diesem Moment fuhr ein Auto dicht neben ihm durch eine der großen Pfützen. Er wollte lautstark fluchen, aber das Auto stoppte und er sah, dass es Schröder war, der ihm die Tür zum Einsteigen aufhielt.
Als er einstieg, nickte Schröder nur und gab Gas, noch bevor er sich angeschnallt hatte. Er war jünger als Lichthaus, hatte aber schon einige Jahre bei der Staatsanwaltschaft hinter sich. Die blassblonden Haare wichen langsam zurück und gaben Schröder etwas Ober lehrerhaftes. Lichthaus zog es vor, mit Cornelia Otten zusammenzuarbeiten, da sie ihnen weniger reinredete und auch mal ein Auge zudrückte, wenn die Kollegen bei ihren Ermittlungen die Grenzen des Erlaubten überschritten. Schröder war hier wesentlich kleinlicher.
»Da wollen wir mal sehen, was Kohler so alles vorbereitet hat.« Schröder lächelte.
Lichthaus schaute weiter geradeaus. Schröders brennender Ehrgeiz stieß ihn ab. Wenn sie mit Kollegen aus den Nachbarländern zusammenarbeiteten, war es besonders schlimm. Offensichtlich strebte er nach Höherem. Von dem heutigen Termin versprach er sich eine reine Statistenrolle der Marke »Kommissar Lichthaus war auch anwesend« und quälte sich damit, der Show des Staatsanwalts beiwohnen zu müssen.
»Was machen Ihre neuen Fälle? Sie haben ja ordentlich Presse im Moment.«
»Es geht so. Wir kommen langsam voran.«
»Haben Sie schon einen Verdächtigen?«
»Nein. Wir sind ja erst am Anfang, und Frau Otten hat eine Nachrichtensperre verhängt«, log er.
Auf der Autobahn regnete es wieder stärker, und er war froh nicht fahren zu müssen. Schröder plauderte über allerlei Banalitäten, bis sie nach einer Dreiviertelstunde Luxemburg erreichten.
Jean-Marie Kohler erwartete sie bereits am Eingang und führte sie in den Presseraum. Was dann kam, war wie vorhergesehen ein Schaulaufen Schröders, der Kohler nach der Begrüßung brüsk unterbrach und langatmig den Anteil der deutschen Polizei an den Erfolgen und hierbei vor allem seinen persönlichen Beitrag darstellte. Auch die Männer vom LKA und aus Brüssel trumpften auf, einzig Lichthaus blieb stumm und ließ das Spektakel an sich vorbeiziehen. Endlich war die Pressekonferenz vorbei, und er ging erleichtert mit seinem Luxemburger Kollegen in die Kantine.
»Müssen Sie mit dem da«, Kohler nickte mit dem Kopf abschätzig in Schröders Richtung, »auch in anderen Fällen zusammenarbeiten?«
Lichthaus grinste. »Gott sei Dank nur selten.«
Gegenüber ihrem Tisch befand sich ein Schwarzes Brett mit einigen Fahndungsplakaten. Er stutzte. Zwei junge Frauen, das konnte er dem französischen Text entnehmen, wurden vermisst. »Sagen Sie mal, Jean-Marie, haben Sie noch mehr verschwundene Mädchen hier in Luxemburg?«
Kohler kratzte sich am Kopf. »Ja, einige sogar.«
»Wir jagen einen Täter und glauben nicht, dass er an der Grenze haltmacht. Intern befürchten wir, dass es sich um einen Serienmörder handeln könnte, halten uns mit unseren Vermutungen aber noch bedeckt.«
Während des Essens erläuterte er seinem luxemburgischen Kollegen den Fall. Mit wachsendem Interesse hörte Kohler zu und nahm Lichthaus nach dem Essen mit in sein Büro, wo er sofort die Vermisstenfälle aller Frauen zwischen fünfzehn und vierzig anforderte. Die Liste, die eine attraktive Beamtin wenige Minuten später brachte, umfasste vier Namen, die jüngste Frau war neunzehn, die älteste dreißig Jahre alt. Zwei wurden in Luxemburg Stadt, die anderen in Grevenmacher und Wormeldange, nahe der deutschen Grenze, vermisst.
Kohler drehte seinen Kuli zwischen den Fingern und dachte nach. »Ich lasse die Akten ziehen und gebe sie Ihnen einfach mit. Darf ich zwar nicht, ist mir aber auch egal.« Er grinste.
Lichthaus’ Gedanken rasten. Die Fälle könnten das Zeitfenster zwischen den Taten in Wiesbaden und Eva Schneiders Ermordung schließen. Reine Spekulation, doch ein Blick in Kohlers Gesicht zeigte ihm, dass dieser wohl ähnliche Überlegungen anstellte.
»Es würde schon gut passen.« Der Luxemburger zögerte. »Wir sollten
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