Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Apfel erinnerte. In der Hand hielt es einen großen weißen Steinguttopf, der mit einem roten Band verschnürt war.
»Danke, Maggie«, sagte Bauer Dawson.
»Die Frau sagt, Sie würden's für den kleinen Will hier haben wollen«, sagte Maggie. »Sie ist ins Dorf gegangen, um mit dem Pfarrer über irgendwas zu sprechen. Wie geht's denn deinem großen Bruder, Will?«
Das sagte sie jedes Mal, wenn sie ihn sah; sie meinte Wills zweitältesten Bruder Max. Es war ein Familienscherz bei den Stantons, dass Maggie Barnes ein Auge auf Max geworfen hätte.
»Gut, vielen Dank«, sagte Will höflich. »Er hat sein Haar wachsen lassen und sieht jetzt wie ein Mädchen aus.«
Maggie kreischte vor Vergnügen. »Mach, dass du wegkommst.« Sie winkte ihm kichernd zum Abschied, aber im letzten Augenblick bemerkte Will, dass sie einen schnellen Blick über seinen Kopf hinweg warf. Während er sich umdrehte, glaubte er aus dem Augenwinkel eine Bewegung am Hoftor zu erspähen, so als ob jemand sich schnell versteckt hätte. Aber als er nachschaute, war niemand da.
Will und James quetschten den großen Topf mit Pastetenfüllung zwischen zwei Heuballen und schoben ihren Handkarren zum Hof hinaus.
Der Bauer stand hinter ihnen in der Tür; Will fühlte seinen Blick, der ihnen folgte. Unruhig schaute er zu den drohenden, immer dichter werdenden Wolken auf und fast wider Willen schob er die Hand in die Tasche, um den seltsamen Eisenring zu befühlen.
Wenn es zu schneien anfängt.
Der Himmel sah aus, als würde er gleich auf sie herabstürzen. Er dachte: Was geschieht?
Einer der Hofhunde kam mit wedelndem Schwanz herbeigesprungen; dann, in ein paar Metern Entfernung, blieb er plötzlich stehen und sah sie an.
»Hallo, Renner!«, rief Will.
Der Schwanz des Hundes senkte sich, knurrend zeigte das Tier die Zähne.
»James«, rief Will.
»Er tut dir nichts. Was ist denn los?«
Sie gingen weiter, bogen in die Straße ein.
»Ich hab keine Angst. Aber irgendwas stimmt nicht. Irgendwas ist schrecklich. Renner, Chelsea — die Tiere haben Angst vor mir.« Er fing jetzt wirklich an, sich zu ängstigen.
Der Lärm in den Krähenbäumen war lauter, obgleich es doch schon anfing, dunkel zu werden. Sie konnten die schwarzen Vögel, noch unruhiger als zuvor, in Schwärmen über den Baumwipfeln flattern und kreisen sehen. Und Will hatte Recht gehabt; ein Fremder befand sich auf dem Weg. Er stand an der Kirchhofmauer.
Es war eine taumelnde, zerlumpte Gestalt, die eher einem Bündel Kleider als einem Menschen glich, und bei ihrem Anblick beschleunigten die Jungen ihren Schritt, drängten sich unbewusst näher an den Karren und aneinander.
Der Mann wandte den zotteligen Kopf und sah zu ihnen hin.
Dann kam ganz plötzlich wie in einem schrecklichen Traum ein heiseres Gekrächze und schwarzes Flügelschlagen aus dem Himmel gestürzt. Zwei riesige Krähen stießen auf den Mann herunter. Der taumelte schreiend zurück, das Gesicht mit den erhobenen Händen schützend; die Vögel schlugen mit den riesigen Schwingen einen boshaften schwarzen Wirbel und waren schon wieder weg, hatten sich an den beiden Jungen vorbei in den Himmel geschwungen.
Will und James standen mit weit aufgerissenen Augen, wie erstarrt an die Heuballen gepresst, da.
Der Fremde hatte sich gegen das Friedhofstor gekauert.
»Kaaaaaaak kaaaaaak ...«, schallte das ohrenbetäubende Geschrei des aufgewühlten Schwarms über den Bäumen und dann kamen drei weitere wirbelnde schwarze Knäuel heruntergestürzt, stießen wütend auf den Mann zu und waren wieder verschwunden. Diesmal kreischte dieser voller Entsetzen, taumelte auf den Weg hinaus. Die Arme immer noch in Verteidigungsstellung um den Kopf gewinkelt, das Gesicht nach unten, so rannte er los. Die Jungen konnten die gequälten Atemstöße hören, als er blindlings an ihnen vorbeistürzte, auf Dawsons Hof zu, an diesem vorbei und auf das Dorf zulief. Sie sahen buschiges, fettiges Haar unter einer schmierigen alten Mütze; einen zerfetzten braunen Mantel, der mit einer Kordel zusammengehalten war, und darunter irgendwelche flatternden Kleidungsstücke; alte Stiefel, an denen eine Sohle lose war, sodass er beim Laufen sein Bein mit einem komischen halben Hüpfen seitwärts werfen musste. Aber sein Gesicht sahen sie nicht.
Das Gewirbel über ihren Köpfen beruhigte sich zu einem langsamen Kreisen, allmählich ließen sich die Krähen eine nach der anderen in den Bäumen nieder. Sie unterhielten sich immer noch laut in einem
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