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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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auf eine Meile Entfernung.
    Mr. Dawson kam aus einer Scheune. »Aha«, sagte er, »Heu für Stantons Hof?« Dies war sein ständiger Witz, wegen der Hühner und Kaninchen, die ihre Mutter hielt.
    »Ja, bitte«, sagte James.
    »Kommt schon«, sagte Mr. Dawson. Der alte George war in der Scheune verschwunden. »Geht's allen gut? Sagt eurer Mama, ich nehme ihr morgen zehn Hühner ab. Und vier Kaninchen. Mach nicht so ein Gesicht, kleiner Will. Es heißt nicht für die Kaninchen fröhliche Weihnachten, sondern für die Leute, die sie verspeisen.« Er blickte zum Himmel auf und Will glaubte, einen seltsamen Ausdruck auf seinem verwitterten braunen Gesicht zu sehen. Oben unter den tief hängenden grauen Wolken zogen zwei schwarze Krähen mit langsamem Flügelschlag einen weiten Kreis um den Hof.
    »Die Krähen machen heute einen schrecklichen Krach«, sagte James. »Und Will hat oben am Wäldchen einen Landstreicher gesehen.«
    Mr. Dawson blickte Will scharf an. »Wie sah er aus?«
    »Nur ein kleiner alter Mann. Er hat sich versteckt.«
    »Der Wanderer ist also unterwegs«, sagte der Bauer leise zu sich selbst. »Aha. Natürlich.«
    »Ein scheußliches Wetter zum Wandern«, sagte James munter. Er wies mit dem Kopf zum nördlichen Himmel über dem Hausdach; es schien, als würden die Wolken dort immer dunkler. Sie bildeten drohende graue Haufen mit einem gelblichen Rand. Ein Wind hatte sich erhoben; er blies ihnen ins Haar und sie konnten das entfernte Rauschen der Baumwipfel hören.
    »Es wird mehr Schnee geben«, sagte Mr. Dawson.
    »Heute ist ein grässlicher Tag«, sagte Will plötzlich und staunte über seine eigene Heftigkeit; schließlich hatte er sich Schnee gewünscht. Aber irgendwie wuchs das Unbehagen in ihm. »Es ist — irgendwie unheimlich.«
    »Es wird eine schlimme Nacht«, sagte Mr. Dawson.
    »Da ist der alte George mit dem Heu«, sagte James. »Komm, Will.«
    »Geh du schon«, sagte Mr. Dawson. »Ich möchte, dass Will etwas für eure Mutter mitnimmt, das ich noch im Haus habe.« Aber als James sich mit der Handkarre auf den Weg zur Scheune gemacht hatte, rührte Mr. Dawson sich nicht. Er stand da, die Hände tief in den Taschen seiner alten Tweedjacke vergraben, und blickte zum Himmel auf, der sich immer mehr verdüsterte.
    »Der Wanderer ist unterwegs«, sagte er wieder, »und die Nacht wird schlimm werden und morgen wird es schlimmer, als man sich vorstellen kann.« Er sah Will an und Will blickte mit wachsender Angst in das verwitterte Gesicht, in die glänzenden dunklen Augen, die vom jahrzehntelangen Blinzeln in Sonne, Wind und Regen schmal und von dichten Fältchen umgeben waren. Er hatte nie zuvor bemerkt, wie dunkel Bauer Dawsons Augen waren; fremdartig in diesem Land der Blauäugigen.
    »Du hast ja bald Geburtstag«, sagte der Bauer.
    »Hmm«, sagte Will.
    »Ich hab etwas für dich.« Er blickte sich schnell im Hof um und zog dann die eine Hand aus der Tasche; Will sah darin etwas, das eine Art Schmuckstück sein konnte. Es war aus einem schwarzen Metall, ein flacher Ring mit zwei Stäben darin, die sich in der Mitte kreuzten. Er nahm es und betastete es neugierig. Der Ring war etwa so groß wie seine Handfläche und ziemlich schwer; grob aus Eisen geschmiedet, wie ihm schien, aber ohne scharfe Kanten oder Zacken. Das Eisen fühlte sich kalt an.
    »Was ist das?«, fragte er.
    »Für den Augenblick«, sagte Mr. Dawson, »kannst du es ein Andenken nennen. Etwas, das du immer bei dir haben sollst,
immer.
Steck es jetzt in die Tasche. Später sollst du deinen Gürtel hindurchziehen und es wie eine zweite Schnalle tragen.«
    Will steckte den Eisenring in die Tasche. »Vielen Dank«, sagte er etwas unsicher. Mr. Dawson, bei dem man sich sonst so wohl fühlte, war ihm heute beinahe unheimlich.
    Der Bauer sah ihn wieder auf diese eindringliche, beunruhigende Weise an, bis Will fühlte, wie sich das Haar in seinem Nacken sträubte. Dann zuckte etwas wie ein Lächeln über Mr. Dawsons Gesicht, in dem aber keine Heiterkeit, sondern eher Sorge zu spüren war. »Verwahre es gut, Will. Und je weniger du davon sprichst, desto besser. Du wirst es brauchen, wenn es zu schneien anfängt.« Dann schlug er einen munteren Ton an. »Und nun komm, meine Frau will dir ein Glas von ihrer Pastetenfüllung für deine Mutter mitgeben.«
    Sie gingen auf das Wohnhaus zu. Die Bauersfrau war nicht da, aber in der offenen Tür wartete Maggie Barnes, das rundgesichtige, rotbäckige Milchmädchen des Hofes, das Will immer an einen

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