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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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von Licht zu sehen. Er musste schlafen. Los, schlaf schon ein. Aber obwohl er sich auf die Seite drehte, die Decken bis zum Kinn hochzog, sich entspannte, an die heitere Tatsache dachte, dass morgen, wenn er erwachte, sein Geburtstag sein würde, geschah nichts. Es hatte keinen Sinn. Irgendetwas stimmte nicht.
    Will warf sich gequält von einer Seite auf die andere. Nie zuvor hatte er dieses Gefühl gehabt. Es wurde jeden Moment schlimmer. Als ob ein schweres Gewicht auf seinem Geist läge, ihn bedrohte, ihn zu überwältigen versuchte, ihn zu etwas machen wollte, das er nicht sein wollte. Das ist es, dachte er: mich zu etwas anderem machen. Aber das ist doch blöde. Wer sollte das wollen? Und zu was soll ich gemacht werden?
    Draußen vor der halb offenen Tür knarrte es; er fuhr hoch. Dann knarrte es wieder und er wusste, was es war: ein bestimmtes Fußbodenbrett, das nachts manchmal mit sich selbst redete. Es war ein so vertrauter Laut, dass er ihn gewöhnlich gar nicht wahrnahm. Wider Willen lag er still und horchte. Ein anderes Knarren kam von weiter her, aus der anderen Mansarde, und er zuckte wieder zusammen. Du bist einfach nervös, sagte er sich; du denkst an diesen Nachmittag, aber in Wirklichkeit gibt's gar nicht so viel zu erinnern. Er versuchte an den Landstreicher zu denken, als sei er gar nicht bemerkenswert, ein ganz gewöhnlicher Mann in einem schmutzigen Mantel und verschlissenen Schuhen; aber stattdessen sah er nur wieder den wütenden Sturzflug der Krähen.
Der Wanderer ist unterwegs.
Jetzt hörte er ein anderes, seltsam knisterndes Geräusch, diesmal kam es von der Decke über ihm; der Wind heulte plötzlich laut und Will saß aufrecht im Bett und tastete in Panik nach der Bettlampe.
    Sofort verwandelte sich das Zimmer in eine warme gelbe Lichthöhle. Er ließ sich zurückfallen und kam sich dumm vor. Ich fürchte mich im Dunkeln, dachte er: wie grässlich. Genau wie ein kleines Kind. Stephen hatte bestimmt hier oben im Dunkeln nie Angst gehabt. Sieh nur, da ist das Bücherbrett und der Tisch, die beiden Stühle und die Fensternische; sieh, da hängt das Mobile mit den sechs Segelschiffchen von der Decke und da segeln ihre Schatten über die Wand. Alles ist wie immer. Schlaf doch ein!
    Er knipste das Licht wieder aus und sofort war alles schlimmer als zuvor. Zum dritten Mal sprang ihn die Angst an wie ein großes Tier. Will lag wie erstarrt da, zitternd; er fühlte selber, dass er zitterte, war aber unfähig sich zu rühren. Er hatte das Gefühl, verrückt zu werden.
    Draußen stöhnte der Wind, setzte aus, heulte plötzlich auf und Will hörte ein gedämpftes Stoßen und Kratzen am Oberlicht in der Zimmerdecke. Das Entsetzen packte ihn, als würde ein Albtraum Wirklichkeit; dann knirschte und krachte es, der Sturm heulte plötzlich viel lauter und näher, kalte Luft presste sich ins Zimmer. Und dieses Entsetzen stürzte mit so erschreckender Gewalt auf ihn ein, dass er sich zitternd zusammenkrümmte.
    Will schrie. Er erfuhr es erst später; sein Entsetzen war so tief, dass er den Ton seiner Stimme nicht hörte. Einen schrecklichen, nachtschwarzen Augenblick lang lag er, fast bewusstlos, außerhalb der Welt im schwarzen All. Dann kamen schnelle Schritte die Treppe herauf, eine besorgte Stimme rief ihn, gesegnetes Licht füllte den Raum mit Wärme und holte ihn ins Leben zurück.
    Es war Pauls Stimme: »Will? Was ist? Hast du etwas?«
    Will machte langsam die Augen auf. Er hatte sich fest zusammengerollt, die Knie gegen das Kinn gepresst. Er sah Paul, der sich über ihn beugte und besorgt hinter seiner dunkel umrandeten Brille blinzelte. Will nickte, er konnte nicht sprechen. Dann wandte Paul den Kopf und Will folgte seinem Blick und sah, dass das Klappfenster in der Dachschräge offen herunterhing; es schwang noch von der Heftigkeit des Falles hin und her; im Dach war ein schwarzes Viereck leerer Nacht zu sehen, durch das der Wind die bittere Kälte hineinblies. Auf dem Teppich unter dem Fenster lag ein Haufen Schnee.
    Paul betrachtete den Fensterrahmen. »Der Riegel ist gebrochen — wahrscheinlich war der Schnee zu schwer. Er ist bestimmt ziemlich alt. Das Metall ist ganz verrostet. Ich hole ein Stück Draht und flicke es provisorisch bis morgen früh. Bist du davon wach geworden? Mensch, du hast wohl einen ordentlichen Schreck gekriegt. Wenn mir das passierte, würdest du mich irgendwo unter dem Bett wieder finden.«
    Will blickte in sprachloser Dankbarkeit zu ihm auf und es gelang ihm ein

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