Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
heraus. Aber obgleich sie es vorsichtig anfasste, knisterten und krümelten die Ränder da, wo sie sich in der Wolle verfingen. »He«, sagte sie erschrocken, »wenn das jedes Mal passiert, dann zerfällt uns das ganze Ding in einer Woche. Da oben in der Dachkammer hat es jahrelang gelegen, ohne dass jemand es berührt hat, aber wenn wir es herumtragen — «
    Simon betrachtete besorgt das gerollte Pergament, die vom Alter dunkel gewordenen Ränder, und entdeckte Risse, die vorher nicht da gewesen waren. Er sagte ängstlich: »Aber wir müssen es doch noch oft anfassen, wenn wir herausfinden wollen, was darauf steht ... warte einen Augenblick. Das Zimmer ...«
    Er ließ die verblüffte Jane stehen, packte das Manuskript und lief nach unten zu der kleinen dunklen Tür auf dem Flur des ersten Stockwerks, die zu dem Durchgang führte, den sie auf ihrem Weg zum Dachboden entdeckt hatten. Sie war immer noch unverschlossen. Er stieg in den winzigen Flur hinunter, durchquerte ihn und betrat den kahlen, strengen Raum, den sie für das Schlafzimmer des Kapitäns hielten. Es war alles genauso wie am Tag zuvor, die Teleskophülle lag noch auf der Fensterbank.
    Simon nahm das Futteral und schraubte es auf. Das Gewinde an beiden Hälften war blank und kein bisschen angelaufen; es war mit einer dünnen Ölschicht bedeckt, und als er die Öffnung gegen das Licht hielt, schimmerte die Kupferschicht im Innern trocken und sauber. Er schob das zusammengerollte Manuskript in die Röhre. Es passte genau hinein und lag sicher zwischen den beiden Hälften, die er nun wieder zusammenschraubte. Simon sah sich nachdenklich im Zimmer um, als könnte es ihm etwas verraten. Aber da war nichts als das Schweigen und die geheimnisvolle, bewohnte Leere. Er schloss die Tür leise hinter sich und lief wieder nach oben.
    »Schau«, sagte er zu Jane, »als ob es eigens dafür gemacht wäre.«
    »Vielleicht wurde es das auch«, sagte Jane und nahm das Futteral entgegen.
    »Du solltest es irgendwo verstecken«, sagte Simon. »Wie wär's oben auf unserem Kleiderschrank?«
    »Ich werd schon was finden«, sagte Jane nachdenklich.
    Aber Simon, der bereits auf dem Weg in sein eigenes Zimmer war, hörte sie kaum; in Gedanken war er schon auf der Yacht der Withers'. Und als Barney, er und der Vater nach langem Hin und Her wegen Ölzeug, Pullovern und Badehosen verschwunden waren, wäre es Jane fast lieber gewesen, sie hätte sich's überlegt und wäre doch noch mitgegangen.
    Aber auf Simons Sticheleien hatte sie noch zum Schluss mit fester Stimme gesagt: »Nein. Ich würde nur alles verderben, wenn ich seekrank würde.« Nun stand sie stattdessen am Fenster und sah, wie die andern zum Kai hinunterliefen, und sah das kleine Beiboot zu der hohen, schlanken weißen Yacht hinüberschaukeln.
    Ihre Mutter, die auf der einen Seite eine Staffelei unter dem Arm trug und auf der andern eine Tasche mit Butterbroten und Farben in der Hand hielt, betrachtete sie zweifelnd. »Herzchen, bist du sicher, dass du dich nicht einsam fühlen wirst?«
    »Aber nein«, sagte Jane munter. »Ich werde herumstreifen, das wird schön. Ehrlich, du fühlst dich doch auch nicht einsam, wenn du malst, nicht wahr?«
    Die Mutter lachte. »Nun gut, meine unabhängige Tochter, streife umher. Aber verirr dich nicht. Ich bin auf der anderen Seite oberhalb des Hafens, falls du mich brauchst. Mrs Palk ist den ganzen Tag hier und wird dir Mittagessen machen. Warum machst du nicht einen Spaziergang mit Rufus?« Sie trat in den Sonnenschein hinaus; ihr Blick war schon abwesend, sie war schon mit Form und Farbe des Bildes beschäftigt, das sie malen würde.
    Jane spürte etwas Feuchtes an ihrer Hand, schaute nach unten in die großen, hoffnungsvoll auf sie gerichteten braunen Hundeaugen. Sie lachte und lief mit Rufus ins Dorf hinunter, durch die engen, unbekannten Gassen, wo aus den offenen Türen der Läden der Singsang der Cornwaller Stimmen klang.
    Aber den ganzen Morgen über war sie seltsam unruhig, so als mühte sich etwas in ihr, in ihr Bewusstsein aufzusteigen. Es ist, so dachte sie, als versuchte mein Verstand mir etwas zu sagen, was ich nicht richtig hören kann. Als sie mit Rufus zurückkam und das Tier sich in der Küche keuchend neben Mrs Palk auf den Boden fallen ließ, war sie seltsam still und nachdenklich.
    »War's schön, Herzchen?«, sagte Mrs Palk, während sie sich aufrichtete. Sie hatte einen Eimer mit Seifenwasser neben sich stehen und ihr Gesicht war rot und glänzend. Sie hatte

Weitere Kostenlose Bücher