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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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ein.
    King Mark's Head —
derselbe Name auf beiden Karten. Die Karte auf dem Manuskript vom Dachboden musste also auch eine Karte von Trewissick sein — von dem Teil von Trewissick, auf dem das
Graue Haus
stand. Die seltsamen Wörter mussten eine alte Bezeichnung für Kenmare Head sein.
    Aber als die erste Welle des Entzückens sich gelegt hatte, blickte sie noch einmal von einer Karte auf die andere und ihre Begeisterung ließ nach. Etwas war seltsam an der welligen Küstenlinie auf dem alten Manuskript; etwas, das mehr war als eine Ungenauigkeit, die bei einer freien Handzeichnung immer festzustellen ist. Die Umrisse der Küste waren nicht dieselben wie die auf der Karte in dem Fremdenführer. Die beiden Landspitzen hatten eine seltsam runde Form und auch die Form des Hafens war falsch. Warum?
    Ratlos holte Jane einen Bleistift von der Anrichte und versuchte, mit einem dünnen Strich die Küstenlinie auf dem Manuskript auf die Karte im Fremdenführer zu übertragen. Es konnte keinen Zweifel geben, die Umrisse waren nicht dieselben.
    Vielleicht war auf dem Manuskript doch nicht Trewissick abgebildet. Vielleicht gab es zwei Landzungen in Cornwall, die
King Mark's Head
hießen. Vielleicht hatte aber auch die Küste in den hunderten von Jahren, die seit der Niederschrift des Manuskripts vergangen waren, sich verändert. Wie sollten sie das herausfinden?
    Sie legte das Manuskript zögernd beiseite und starrte auf die beiden Linien auf der Buchseite, die gedruckte und die mit dem Bleistift gezogene. Aber sie konnte keine Antwort finden. Ungeduldig ließ sie die Seiten des Buches rückwärts durch die Finger gleiten und schließlich fiel ihr Blick wieder auf die Titelseite.
    »... Ehrwürden E. J. Hawes-Mellor ...«
    Jane sprang auf. Das war's. Warum auch nicht? Der Pfarrer von Trewissick musste alles über die Gegend wissen. Er war der Experte. Er hatte den Fremdenführer geschrieben. Er würde wissen, ob die Küstenlinie sich verändert hatte und wie sie früher verlaufen war. Das war der Weg, es herauszufinden — der einzige Weg. Er war der einzige Mensch, der nicht fragen würde, warum sie das wissen wollte; er würde einfach denken, dass sie sich für das Buch interessierte. Sie musste ihn aufsuchen und ihn fragen.
    Und wenn dann Simon und Barney zurückkamen, was würde sie denen alles erzählen können ...
    Dieser letzte Gedanke gab den Ausschlag. Jane, die sonst die zurückhaltendste unter den Geschwistern war, wusste jetzt, wie sie den Nachmittag verbringen würde. Als die Tür aufging, wandte sie sich schnell um. Mrs Palk kam hereingewatschelt. »Fertig? Und — hat's geschmeckt?«
    »Prima. Vielen Dank.« Jane nahm den Reiseführer und das kostbare Strickjackenbündel. »Mrs Palk«, sagte sie vorsichtig, »kennen Sie den Pfarrer von Trewissick?« Gewiss, dachte sie, sie muss ihn kennen, mit all ihren Kirchenliedern.
    »Nun, ich persönlich nicht, nein.« Mrs Palk wurde sehr ernst und feierlich. »Ich gehöre zu einer Sekte, daher habe ich keinen Kontakt mit ihm, aber natürlich hab ich ihn schon gesehen. Soll 'n kluger Mann sein, der Pfarrer, wie man sagt. Wolltest du dir die Kirche ansehn, Herzchen?«
    »Ja«, sagte Jane. Das kann ich ja schließlich auch, verteidigte sie sich vor sich selbst.
    »Es ist ein schönes altes Gebäude. Aber ziemlich weit — den Berg hinauf, ganz am Ende des Dorfes. Wenn man vom Kai aus die Fish Street hinaufgeht, kann man den Turm sehen.«
    »Ich glaube, ich erinnere mich.«
    »Und sieh zu, dass du keinen Sonnenstich kriegst«, sagte Mrs Palk wohlwollend und segelte mit dem Geschirr davon, und gleich darauf hörte Jane es schaurig-schön und genussvoll von der Küche her durch den Flur schallen: »Herr, bleib bei mir ...« Sie lief nach oben, sah sich hastig nach einem Versteck für das Etui um und stopfte es schließlich am Fuß ihres Bettes unter das Bettzeug. Es lag dort zwischen Matratze und Bettwand und bildete keine Erhöhung. Und damit nicht am Ende ihre Schüchternheit doch noch über ihren Plan siegte, nahm sie sich den Führer und ging sofort in die träge Nachmittagssonne hinaus.
    Die Kirche auf dem Kamm des Hügels schien ganz abgeschnitten von der See. Jane konnte von dort aus nichts sehen als Bäume und Hügel. Sogar die kleinen Häuser des Dorfes verschwanden etwa zwanzig Meter, bevor man auf die Straße zur Kirche kam. Die gedrungene graue Kirche mit ihrem niedrigen Turm und den mächtigen Torpfosten, die zum Kirchhof führten, hätte in irgendeinem bewaldeten

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