Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
schob sie dann aber zu. Sie wollte ihren Schatz lieber nicht aus den Augen lassen. Sie nahm sich die Strickjacke vom Bett, wickelte sie um das Etui und lief, immer zwei Stufen auf einmal, die Treppe hinunter.
Aber sie war zu schnell gelaufen. Als sie sich im ersten Stock um den Treppenpfeiler schwingen wollte, stieß sie heftig gegen eine lange hölzerne Truhe, die dort im Schatten stand, und schrie vor Schmerz auf. Es musste dasselbe Bein sein, an dem sie sich schon am ersten Tag unten am Kai wehgetan hatte ... aber als sie sich bückte, um sich das Bein zu reiben, wurde sie aufmerksam. Die Kiste, gegen die sie gestoßen war, war dieselbe, die sie schon am Tag zuvor bemerkt hatten und deren Deckel verschlossen gewesen war. »Das Gold und die Schätze der Eingeborenen«, hatte Simon gesagt, dann aber festgestellt, dass er sie nicht öffnen konnte. Aber jetzt war der Deckel ein wenig aufgesprungen und wippte leise auf und ab. Der Deckel musste nur verklemmt gewesen sein und nicht abgeschlossen und bei dem Zusammenprall war er aufgesprungen.
Neugierig hob Jane den Deckel ganz hoch. Es war nicht viel in der Truhe: alte Zeitungen, ein Paar große Lederhandschuhe, zwei oder drei schwere wollene Sweater und, halb darunter verborgen, ein kleines Buch in schwarzem Einband. Ein ziemlich langweiliger Schatz, dachte sie. Aber das Buch könnte interessant sein. Sie bückte sich und holte es heraus.
»Ja-ne!« Mrs Palks Stimme klang jetzt näher. Sie kam die Treppe herauf. Schuldbewusst machte Jane den Deckel wieder zu und steckte das kleine Buch in die Falten ihrer Strickjacke zu dem Teleskopfutteral. Mrs Palks Gesicht erschien jetzt keuchend zwischen den Stäben des Treppengeländers.
»Ich komme«, sagte Jane freundlich.
»Ah, da bist du ja. Ich dachte schon, du wärst zu Bett gegangen. Ich werde zu dick, das Treppensteigen fällt mir schwer.« Mrs Palk lächelte sie strahlend an. »Das Essen steht auf dem Tisch. Ich musste meinen Kuchen noch aus dem Ofen holen, sonst hätte ich dich nicht so lange warten lassen.« Sie watschelte in ihre Küche zurück.
Ein großer Teller voll Schinken und Salat wartete im Esszimmer auf Jane. Er stand wie eine kleine liebliche Insel auf der glänzenden See der polierten Mahagoniplatte. Daneben standen ein Tellerchen mit einem Stück Stachelbeertorte und ein Kännchen Sahne.
Jane setzte sich hin und aß geistesabwesend alles auf. Mit der einen Hand blätterte sie dabei in dem kleinen Buch, das sie in der Truhe gefunden hatte.
Es war ein Führer durch das Dorf und seine Umgebung, der von einem örtlichen Pfarrer verfasst worden war. »Ein kurzer Führer von Trewissick«, stand in fließenden, kurvigen Buchstaben auf der Titelseite. »Zusammengestellt durch Ehrwürden E. J. HawesMellor, Pfarrer der Kirche St. John, Trewissick.«
Nicht besonders aufregend, dachte Jane, deren Interesse schon nachließ. Sie blätterte die schmalen Seiten um, in denen die Spazierwege in der Umgebung in allen Einzelheiten beschrieben waren. Die Wörter auf dem Manuskript geisterten ihr immer noch im Kopf herum. Wenn sie doch nur Simon und Barney etwas Neues über die Karte erzählen könnte ...
In diesem Augenblick klappten die Seiten des Buchs unter ihren Händen genau in der Mitte auseinander. Janes Blick fiel wie zufällig darauf und sie stutzte. Auf dieser Mittelseite war eine genaue Karte des Dorfes Trewissick zu sehen, jede Straße, ob gerade oder gewunden, war abgebildet, sie drängten sich hinter dem Hafen, der geschützt zwischen seinen beiden Landzungen lag. Die Kirche und das Gemeindehaus waren besonders gekennzeichnet; und sie stellte stolz fest, dass auch das
Graue Haus
mit seinem Namen eingezeichnet war. Es lag an der Straße, die zur Spitze des einen Vorgebirges, dem Kenmare Head, führte und sich dort in Nichts auflöste. Aber was ihre Aufmerksamkeit erregte, war der Name, der in zierlichen Buchstaben quer über die Landzunge lief. Er lautete.
King Mark's Head —
König Marks Kopf.
King Mark's Head,
sagte Jane laut vor sich hin. Sie griff nach der zusammengerollten Strickjacke, die auf dem Stuhl neben ihr lag, holte den Teleskopbehälter heraus und rollte das Manuskript auf dem Tisch auseinander. Die Wörter starrten sie an, kraus und geheimnisvoll:
Ring Mark Hede.
Als sie genau hinschaute, merkte sie, dass der erste Buchstabe des ersten Wortes, der von Alter und Schmutz undeutlich geworden war, sehr wohl statt eines R ein K sein konnte. Sie schluckte vor Aufregung und atmete tief
Weitere Kostenlose Bücher