Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
gerade den grauen Schieferboden geschrubbt.
    »Hmm«, sagte Jane unsicher. Sie fingerte an der Schleife herum, die ihren Pferdeschwanz zusammenhielt.
    »Dein Mittagessen ist gleich fertig«, sagte Mrs Palk und stand auf. »Du meine Güte, sieh dir den Hund an; der ist ganz fertig. Braucht was zu trinken, schätz ich — « Sie griff nach Rufus' Wasserschüssel.
    »Ich geh rauf und wasch mich.« Jane schlenderte durch die Diele und den kühlen dunklen Flur. Ein Sonnenstrahl fiel auf eine der alten Landkarten, über die Polly Withers in solches Entzücken ausgebrochen war. Miss Withers ... warum waren sie und ihr Bruder ihr so finster vorgekommen? Es waren völlig normale Leute, es gab keinen wirklichen Grund, etwas anderes zu denken. Es war sehr nett von ihnen gewesen, alle zu dieser Schiffstour einzuladen ... aber seltsam war doch diese Bemerkung, die sie gemacht hatte über Forschen und Entdecken von Sachen ...
    Entdecken von Sachen. Mitten auf der Treppe erinnerte Jane sich mit plötzlichem Schuldbewusstsein, dass sie den ganzen Morgen nicht an das Manuskript gedacht hatte. Es lag in seinem neuen Behälter in ihrer Nachttischschublade. Hätte sie es mitnehmen sollen? Nein, sei nicht blöd, dachte sie, aber sie rannte wie gehetzt die Treppe hinauf und in ihr Zimmer und atmete erleichtert auf, als sie das Etui matt schimmernd in der Schublade liegen sah.
    Sie zog die braune Pergamentrolle heraus, trug sie zum Fenster und rollte sie vorsichtig auf. Die Zeilen der gedrängten schwarzen Buchstaben riefen den gleichen Schauder furchtsamer Erregung in ihr hervor, wie sie ihn in der Dachkammer verspürt hatte, als ihnen allen dreien klar geworden war, was sie da vor Augen hatten. Sie starrte auf das Manuskript, aber die gedrungenen Wortblöcke waren jetzt ebenso wenig zu entziffern wie neulich. Sie konnte gerade eben die ersten Buchstaben der Wörter erkennen, von denen Simon behauptet hatte, sie hießen Mark und Arthur.
    Wie sollten sie je herausfinden, was all dies bedeutete?
    Sie betrachtete das untere Ende des gebogenen Blattes, die dünnen, gewundenen Linien, die sie für eine Landkarte gehalten hatten. Im trüben Licht des Dachbodens war wenig zu erkennen gewesen, aber jetzt lag das volle Licht des hellen Mittags darauf. Sie beugte sich über das Blatt und merkte plötzlich, dass auf diesem Plan noch mehr Linien zu sehen waren, als sie zuerst entdeckt hatten, Linien, die so dünn waren, dass sie sie für Risse im Papier gehalten hatten. Und darunter standen — noch blasser — ein paar Worte geschrieben. Es war ein sehr grober Plan, so als sei er sehr hastig aufgezeichnet worden. Er schien eine Küstenlinie darzustellen, die ungefähr wie ein auf der Seite liegender Buchstabe W aussah — eine Küstenlinie mit zwei schmalen Buchten und einer Landzunge dazwischen? Es war nicht möglich, festzustellen, auf welcher Seite das Meer und auf welcher Seite das Land sein sollte. Und obwohl sie erkennen konnte, dass auf einer der Landzungen — oder schmalen Buchten — ein Wort geschrieben stand, war es doch ganz unleserlich, weil einer der Risse in dem alten Pergament genau hindurchlief: eine Falte, die das Wort durchkreuzte wie ein dicker Tintenstrich.
    »Wie blöd«, sagte Jane laut und verärgert. Während sie das sagte, wurde sie sich bewusst, dass sie sich in dieser letzten halben Minute entschlossen hatte, ganz allein etwas an dem Manuskript zu entdecken, was sie Simon und Barney zeigen konnte, wenn sie vom Schiff zurückkamen. Genau diesen Gedanken hatte sie den ganzen Morgen im Hinterkopf gehabt.
    Noch ein anderer Name war quer über den Plan geschrieben. Wenn es ein Name war. Die Buchstaben waren klein und braun, aber deutlicher als die andern auf dem Manuskript. Jane enträtselte sie einen nach dem andern und stellte fest, dass sie drei Wörter bildeten: »Ring Mark Hede«. Enttäuscht betrachtete sie die Wörter. Sie bedeuteten nichts. »Ring, mark, heed«, sagte sie versuchsweise vor sich hin. Das war nicht einmal ein Ortsname. Wie konnte ein Ort einen solchen Namen haben?
    Der Klang der Schiffsglocke in der Diele schallte die Treppe hinauf und unterbrach die Stille, in der man nur das Murmeln der See und entfernte Möwenschreie gehört hatte, und Jane hörte Mrs Palks weit entfernte Stimme: »Jane, Jane!« Hastig rollte sie das Manuskript zusammen, schob es wieder in die Teleskophülle und verschraubte die beiden Hälften, so fest es ging. Sie öffnete die Schublade des Nachttisches, zögerte einen Augenblick,

Weitere Kostenlose Bücher