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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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rundes, fein geschnitztes Stück Holz, das mit einem Goldfaden umwickelt war. Bestürzt erkannte er das einzige Schmuckstück, das unter den Weihnachtsschnitzereien, die Bauer Dawson für die Familie Stanton angefertigt hatte, fehlte, und das goldene Haar, das Mr. Mitothin, der Gast seines Vaters, mit beiläufiger Höflichkeit von Marys Ärmel gepflückt hatte.
    »Ein Geburtszeichen und ein Haupthaar sind ausgezeichnete Totems«, sagte der Reiter. »In der alten Zeit, als wir alle noch weniger aufgeklärt waren, konnte man sogar durch den Boden, auf dem jemand ging, einen Zauber wirken.«
    »Oder den Boden, auf den sein Schatten fiel«, sagte Will. »Aber die Finsternis wirft keinen Schatten«, sagte der Reiter. »Und ein Uralter hat kein Geburtszeichen«, sagte Will.
    Er sah einen Schimmer von Unsicherheit auf dem gespannten weißen Gesicht. Der Reiter schloss die weiße Dose und schob sie in seine Tasche. »Unsinn«, sagte er barsch.
    Will betrachtete ihn nachdenklich. Er sagte: »Die Meister des Lichts tun nichts ohne einen Grund, Reiter. Auch wenn man den Grund viele Jahre lang nicht erkennt. Vor elf Jahren hat Bauer Dawson, Diener des Lichts, zu meiner Geburt ein gewisses Zeichen geschnitzt — und wenn er, wie es üblich war, den Anfangsbuchstaben meines Namens genommen hätte, dann hättest du mich vielleicht in deine Gewalt bringen können. Aber er machte das Zeichen des Lichts: einen Kreis mit einem Kreuz darin. Und wie du wohl weißt, kann die Finsternis kein Zeichen, das diese Form trägt, für ihre Zwecke benutzen. Es ist verboten.«
    Er sah zum Reiter auf. Er sagte: »Ich glaube, Sie wollen mich wieder bluffen, Mr. Mithotin, schwarzer Reiter auf dem schwarzen Pferd.«
    Der Reiter runzelte die Stirn. »Und doch bist du machtlos«, sagte er, »denn ich habe deine Schwester. Und du kannst sie nur retten, wenn du mir die Zeichen gibst.« Boshaft glitzerten seine Augen. »Dein großes und edles Buch hat dir vielleicht gesagt, dass ich keinem etwas zu Leide tun kann, der blutsverwandt mit einem Uralten ist — aber sieh sie dir an. Sie wird alles tun, was ich ihr sage. Sogar in die geschwollene Themse springen. Weißt du, es gibt Seiten der Kunst, die ihr Leute vernachlässigt. Es ist so leicht, Menschen zu etwas zu überreden, womit sie sich selbst in Gefahr bringen. Wie zum Beispiel deine Mutter: Wie kann man nur so ungeschickt sein.«
    Er lächelte Will wieder an. Will starrte voller Hass zurück; dann betrachtete er Marys schlafwandlerisches Gesicht und es schmerzte ihn tief, sie so zu sehen. Er dachte: und nur, weil sie meine Schwester ist. Alles meinetwegen.
    Aber eine Stimme in ihm sagte:
Nicht deinetwegen. Des Lichtes wegen. Weil vieles geschehen muss, damit die Finsternis sich nicht erheben kann.
Und voller Freude wusste Will, dass er nicht mehr allein war; dass Merriman wieder in der Nähe war und ihm helfen würde.
    Der Reiter streckte seine Hand aus. »Es ist Zeit, dass wir unseren Handel abschließen, Will Stanton. Gib mir die Zeichen.«
    Will atmete ganz tief ein und dann wieder aus. Er sagte: »Nein.«
    Erstaunen war etwas, das der Reiter längst nicht mehr kannte. Die scharfen blauen Augen starrten Will fassungslos an. »Aber du weißt doch, was ich tun werde?«
    »Ja«, sagte Will, »ich weiß. Aber ich werde dir die Zeichen trotzdem nicht geben.«
    Eine Weile schaute der Reiter ihn aus der schwarzen, wirbelnden Nebelsäule heraus an. Auf seinem Gesicht mischten sich Unglaube und Wut mit einer Art von düsterem Respekt. Dann wandte er sich dem schwarzen Pferd und Mary zu und rief ein paar Worte in einer Sprache, von der Will vermutete, dass sie die Verwünschungssprache der Finsternis war. Der Ton ließ ihn bis ins innerste Mark frieren.
    Das große Pferd schüttelte die Mähne, die weißen Zähne blitzten, es machte einen Satz, während Mary in ihrer glücklichen Arglosigkeit die Mähne laut auflachend fasste. Auf dem überhängenden Eisrand des Flusses kam es zum Stehen.
    Will umklammerte die Zeichen an seinem Gürtel, in tödlicher Angst wegen des Risikos, das er eingegangen war, und mit aller Kraft rief er die Mächte des Lichts zur Hilfe.
    Das schwarze Pferd wieherte laut und schrill und tat einen hohen Sprung über die Themse hinweg. Mitten im Sprung machte es eine plötzliche Wendung, bockte in der Luft, Mary schrie entsetzt und klammerte sich verzweifelt an den Hals des Tieres. Aber sie hatte das Gleichgewicht verloren, sie stürzte. Will war nahe daran, das Bewusstsein zu verlieren,

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