Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
Vom Netzwerk:
hineingeschliffen. Stumm rief es nach Will. Ohne Frage, dies war das Zeichen des Wassers, das letzte der sechs großen Zeichen.
    Will kletterte über den Rand des großen Bootes und näherte sich dem König. Er musste sich vorsichtig bewegen, sonst wäre er auf feine Lederarbeiten getreten, auf schöne Gewebe, auf Emaille- und Filigranschmuck. Er blickte einen Augenblick lang in das weiße, halb verborgene Gesicht unter dem reich verzierten Helm, dann beugte er sich ehrfürchtig vor, um das Zeichen zu nehmen. Aber zuerst musste er die Hand des toten Königs berühren und die war kälter als Stein. Will zuckte zurück und zögerte.
    Merrimans Stimme klang ganz nah, als er sagte: »Fürchte dich nicht vor ihm.«
    Will schluckte. »Aber — er ist tot.«
    »Er hat fünfzehnhundert Jahre lang hier in seinem Grab gelegen und gewartet. Zu irgendeiner anderen Zeit des Jahres wäre er überhaupt nicht hier. Er wäre Staub. Ja, Will, dieser sein Leib ist tot. Sein Geist ist schon seit langem außerhalb der Zeit.«
    »Aber es ist unrecht, einen Toten zu berauben.«
    »Es ist das Zeichen. Wenn es nicht das Zeichen wäre, bestimmt für dich, den Zeichensucher, dann wäre er nicht hier, um es dir zu geben. Nimm es.«
    Will beugte sich also über die Bahre und nahm das Zeichen des Wassers aus den toten kalten Händen, die es nur lose hielten. Von weither kam ein leises Wispern seiner Musik und war wieder verklungen.
    Er wandte sich um. Neben dem Schiff saß Merriman auf der weißen Stute; er war in einen dunkelblauen Umhang gekleidet, das wilde weiße Haar war unbedeckt, in seinem hageren Gesicht lagen tiefe Schatten der Erschöpfung, aber in seinen Augen glänzte Freude.
    »Das hast du gut gemacht, Will«, sagte er.
    Will betrachtete das Zeichen in seinen Händen. Es hatte den Glanz von Perlmutter, einen Regenbogenglanz, das Licht tanzte darauf, als tanzte es auf Wasser. »Es ist wunderschön«, sagte er. Beinahe zögernd löste er den Gürtel und schob das Zeichen des Wassers darauf, neben das glitzernde Zeichen des Feuers.
    »Es ist eines der ältesten«, sagte Merriman. »Und das mächtigste. Nun, da du es trägst, verlieren SIE für immer ihre Macht über Mary — dieser Zauber ist tot. Komm, wir müssen gehen.«
    Seine Stimme klang besorgt; er hatte gesehen, wie Will sich festhalten musste, weil sich das Schiff ganz plötzlich auf die Seite legte. Es richtete sich wieder auf, schwankte ein wenig und kippte dann auf die andere Seite. Will, der sich an die Bordwand ldammerte, sah nun, dass die Themse unbemerkt weiter gestiegen war. Das Wasser leckte von allen Seiten an den Schiffswänden, es schwamm schon beinahe. Der tote König würde nun nicht mehr in der Erde ruhen, die einmal eine Insel gewesen war.
    Die Stute drehte sich auf der Hinterhand ihm zu, schnaubte zur Begrüßung und wieder fühlte sich Will in einem verzauberten Moment, der durchweht war von seiner Musik, hochgehoben und schon saß er vor Merriman auf dem Hals der weißen Lichtstute.
    Das Schiff schwankte und neigte sich, es schwamm jetzt frei, das weiße Pferd sprang beiseite und blieb dann, die stämmigen Beine . vom Flusswasser umspült, wartend stehen.
    Krachend und knirschend überließ sich das Langboot den Fluten der geschwollenen Themse. Es war zu groß, um überwältigt zu werden, seine Schwere hielt es auch auf diesem strudelnden Wasser ruhig, sobald es sein Gleichgewicht gefunden hatte. Der geheimnisvolle König lag still zwischen seinen Waffen und den gleißenden Gaben und Will warf einen letzten Blick auf das maskenhafte weiße Gesicht, während das Schiff stromabwärts trieb.
    Er sagte über seine Schulter hinweg: »Wer war es?«
    Auf Merrimans Gesicht, der das Langboot davonfahren sah, lag tiefe Ehrfurcht. »Ein englischer König aus den dunklen Zeiten. Ich denke, wir werden seinen Namen nicht aussprechen. Die dunklen Zeiten tragen ihren Namen zu Recht, es war eine Zeit der Schatten für die Welt, als die schwarzen Reiter ungehindert unser Land durchstreiften. Nur die Uralten und einige edle Menschen, wie dieser, erhielten das Licht am Leben.«
    »Und er wurde in einem Schiff begraben wie die Wikinger?« Will sah immer noch den Schimmer des goldenen Hirsches auf dem Bug.
    »Er war zum Teil selbst ein Wikinger«, sagte Merriman. »In jenen Tagen gab es drei große Schiffsbegräbnisse an der Themse. Eins wurde im vergangenen Jahrhundert bei Taplow ausgegraben und dabei zerstört. Eines war dieses Schiff des Lichts, das nicht dazu bestimmt war,

Weitere Kostenlose Bücher