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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cooper
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hatte Will Angst, er wäre am liebsten in den Boden versunken, um dem Blick in diese verzauberte, große neue Welt zu entgehen.
    Er dachte: Dies ist mein Volk. Dies ist meine Familie ebenso wie meine wirkliche Familie. Die Uralten. Jeder von uns ist mit den anderen verbunden zum erhabensten Zweck der Welt.
    Dann sah er, wie in der Menge eine Bewegung entstand, wie eine Welle die Straße entlanglief und wie einige wegzurücken begannen, als wollten sie Platz machen. Dann hörte er die Musik: die Pfeifen, die Trommeln, fast komisch in ihrer Einfachheit. Es waren die Pfeifen und Trommeln aus seinem Traum, der vielleicht kein Traum gewesen war.
    Er stand mit zusammengepressten Händen da und wartete und Merriman drehte sich um und stellte sich neben ihn. Aus der Menge kam die gleiche kleine Prozession, die er schon einmal gesehen hatte.
    Die Gruppe der Jungen, die jetzt durch das Menschengewühl herankam, schien erstaunlicherweise wirklicher zu sein als die anderen: Es waren dieselben Knaben in ihren schlichten Kitteln und Beinkleidern, dem schulterlangen Haar, den seltsam bauchigen Kappen. Wieder trugen die ersten Stöcke und Bündel von Birkenzweigen, während die am Schluss mit Flöten und Trommeln ihre eintönige, melancholische Weise spielten. Zwischen diesen beiden Gruppen kamen wieder sechs Jungen, die auf den Schultern eine Bahre trugen, die aus Zweigen und Schilf geflochten war und an jeder Ecke einen Stechpalmenbusch trug.
    Merriman sagte ganz leise: »Zum ersten Mal kommen sie am St.-Stephans-Tag, dem Tag nach Weihnachten. Dann wieder in der Zwölften Nacht. Wenn es ein besonderes Jahr ist, wird zweimal im Jahr der Zaunkönig gejagt.«
    Aber als die Bahre sich näherte, konnte Will deutlich sehen, dass diesmal kein Zaunkönig darauf lag. Stattdessen lag die andere zarte Gestalt dort, die Alte Dame, blau gekleidet, den großen rosafarbenen Stein an der Hand. Die Jungen marschierten auf die Schmiede zu und stellten die Bahre vorsichtig ab.
    Merriman beugte sich darüber und streckte die Hand aus.
    Die Alte Dame öffnete die Augen und lächelte. Er half ihr auf die Füße. Nun trat sie auf Will zu und nahm seine beiden Hände in die ihren. »Gut gemacht, Will Stanton«, sagte sie und durch die Menge der Uralten, die sich auf dem Pfad drängten, ging ein zustimmendes Murmeln, das wie ein Wind in die Kronen der Bäume stieg.
    Die Alte Dame wandte sich nun der Schmiede zu, wo John wartend stand. Sie sagte: »Auf Eiche und auf Eisen sollen die Zeichen zusammengefügt werden.«
    »Komm, Will«, sagte John Smith. Zusammen traten sie an den Amboss. Will legte den Gürtel darauf, der von Anfang an die Zeichen getragen hatte. »Auf Eiche und auf Eisen?«, flüsterte er.
    »Aus Eisen ist der Amboss«, sagte der Schmied leise, »aus Eiche ist dessen Fuß. Der große Holzklotz, auf dem der Amboss steht, ist immer aus Eichenholz — aus der Wurzel, dem stärksten Teil eines Baumes. Hat dir nicht jemand vor kurzem von der Natur des Holzes erzählt?« Seine blauen Augen zwinkerten Will an, dann wandte er sich seiner Arbeit zu.
    Er nahm die Zeichen eins nach dem andern und verband sie miteinander. In die Mitte setzte er das Zeichen von Feuer und Wasser, an die eine Seite die Zeichen aus Bronze und Eisen, an die andere die Zeichen aus Holz und Stein. An jedem Ende befestigte er ein Stück der starken Goldkette. Er arbeitete schnell und geschickt und Will schaute zu. Die große Schar der Uralten draußen war so still wie wachsendes Gras. Außer dem Klopfen des Hammers und dem gelegentlichen Fauchen des Blasebalges hörte man nichts als das rinnende Schmelzwasser auf der Straße, das jahrhunderteweit in der Zukunft floss und doch so nah war.
    »Es ist geschafft«, sagte der Schmied endlich.
    Feierlich reichte er Will die schimmernde Kette der vereinigten Zeichen und Will blieb der Atem stehen, so schön war sie. Und als er die Kette nun hielt, fühlte er, dass ein starker wilder Strom von ihr ausging, die kraftvolle, stolze Sicherheit der Macht.
    Will war überrascht: Die Gefahr war vorbei, die Finsternis geflohen — zu welchem Zweck diente diese Macht? Immer noch verwundert ging er auf die Alte Dame zu, legte die Kette in ihre Hände und kniete vor ihr nieder.
    Sie sagte: »Es ist für die Zukunft, Will, verstehst du das nicht? Diese Kette ist das zweite der machtvollen Dinge, die so viele Jahrhunderte geschlafen haben, und sie stellen einen großen Teil unserer Macht dar. Jedes dieser machtvollen Dinge wurde zu einer anderen

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